Monat: Januar 2018

Wo Trump recht hat, hat er recht

Es ist verständlich, dass die USA gegen unfaire Handelspraktiken zurückschlagen. Ob Strafzölle das richtige Mittel sind, ist allerdings fraglich.

Donald Trump schickt seinem Auftritt am WEF eine Grussbotschaft voraus, die zu ihm passt. Die US-Regierung erlässt Zölle auf Importe von Solarzellen und Waschmaschinen. Es ist ein deutliches Signal an die in Davos versammelte Globalisierungselite. Und eine Drohung, dass da noch mehr kommen könnte. In Davos glauben manche, Trump mache bloss Lärm, um seine Wähler zu beeindrucken. Doch es steckt mehr dahinter. Trump glaubt, was er sagt: Amerika muss endlich gegen unfaire Praktiken zurückschlagen. Es ist eine der wenigen Positionen, die er seit 30 Jahren unverändert vertritt.

Und wo Trump recht hat, hat er recht. Die Handelspartner der USA haben dem Präsidenten reichlich Grund für seine Klagen gegeben. Die protektionistischen Massnahmen nahmen in den letzten Jahren stark zu. Der grösste Sünder ist ausgerechnet die G-20, die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, die sich zur Förderung des Freihandels verpflichteten.

Der chinesische Präsident Xi Jinping hat sich vor einem Jahr in Davos als Verfechter der Globalisierung und Verteidiger des Freihandels aufgespielt. Getan hat er nichts. Denn China steht zu Recht im Fokus von Trumps Kritik. Das Land setzt zwar weniger als früher auf Zölle, Importquoten, technische Handelshemmnisse und eine schwache Währung. Das bevorzugte Mittel sind heute Exportsubventionen, zum Beispiel bei Solarzellen, um chinesischen Unternehmen unfaire Vorteile zu verschaffen. Andere Länder machen es China nach.

Dass Trump dagegen vorgeht, ist richtig. Das Problem ist die Wahl der Mittel. Trump wäre nicht Trump, wenn er den Konflikt innerhalb der Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zu lösen versuchte. Er sucht den Sieg über den Kampf. Aber mit Zöllen schadet er nicht nur den amerikanischen Kunden. Seine einseitigen Massnahmen werden Gegenreaktionen provozieren. China wird Zug um Zug kontern. Und Konflikte, bei denen beide Seiten Stärke demonstrieren wollen, eskalieren nur allzu leicht. Das wäre ein fataler Schlag für eine Weltwirtschaft, die sich erholt und endlich wieder richtig wächst.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Tages-Anzeiger vom 24. Januar 2018

Der bescheidene Trump-Effekt an der Börse

Die US-Börse boomt, und Trump wäre nicht Trump, wenn er das nicht in zahlreichen Tweets als sein Verdienst darstellen würde. Einem Faktencheck halten diese selten stand. 2017 war tatsächlich ein gutes Jahr für die Börsen, der S&P-Index stieg um rund 20 Prozent, der Dow Jones um 25. Aber jeder Börsenanfänger weiss: Was zählt, ist die relative Performance. Nach Trumps Logik wären die wahren Helden Argentiniens Präsident Mauricio Macri (+77 Prozent), der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (Türkei: +48) oder Nigerias Präsident Muhammadu Buhari (Nigeria: +42). Der Börsenaufsteig begann zudem schon nach der Finanzkrise unter Obama.

Aber man gibt den Politikern zu viel Kredit, wenn man sie für die Konjunktur oder die Börsenentwicklung verantwortlich macht. Die Kurse spiegeln Gewinnerwartungen der Unternehmen und übertreiben in beide Richtungen. Eine präsidiale Wirkung auf Aktienkurse dürfte man eher erwarten, wenn Trump bestimmte Firmen favorisiert oder attackiert. Der US-Vermögensverwalter Barry Ritholtz bildete dazu zwei Indizes. Den «Oligarchen»-Index mit Unternehmen, die von Trump gelobt oder favorisiert wurden. Und den «Sumpf trockenlegen»-Index mit den von Trump kritisierten Firmen wie Amazon, Boeing, Tesla, General Motors oder New York Times. Der «Oligarchen»-Index legte 2017 um 20 Prozent zu – der «Sumpf»-Index gewann satte 42 Prozent.

Trump zum Feind zu haben, scheint nicht zu schaden. Das dürfte dem mächtigsten Twitterer der Welt nicht gefallen. Für alle anderen ist es beruhigend: Der Zusammenhang zwischen Politik und Börse ist nicht so klar, wie sich das Trump vorstellt. Politiker haben weniger Einfluss, als sie glauben.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 21. Janaur 2018

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie diesen Text

Fühlen Sie sich gesund? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit als ­«Zustand des vollständigen körperlichen, ­geistigen und sozialen Wohlergehens». Sollten Sie sich jetzt immer noch gesund fühlen: ­Denken Sie an die Erhöhung der Krankenkassenprämie. Spätestens jetzt dürften Sie gemäss WHO-Definition ein wenig krank sein.

Die Schweiz verfügt über eine hochstehende Gesundheitsversorgung. Sie ist auch entsprechend teuer. Nicht alle Leistungen sind dabei wirksam oder effizient. Experten schätzen, dass vielleicht ein Fünftel der von den Krankenkassen bezahlten Kosten durch mehr Effizienz gespart werden könnte. Dazu ­gehören die schätzungsweise 4 Milliarden Franken, die entstehen, weil Patienten ihre Medikamente nicht oder nicht richtig einnehmen.

Die weiteren Kosten­treiber im Gesundheitswesen sind erkannt. Es sind die Spitäler, in denen die Kosten im ambulanten Bereich, in dem der Patient das Spital gleichentags wieder verlässt, rasant wachsen. Kantonale Eigeninteressen verunmöglichen die Schliessung unrentabler Spitäler. Die hohe Ärztedichte, besonders bei den Spezialärzten, treibt die Kosten ebenso wie Patienten, die für jede Kleinigkeit medizinische Hilfe einfordern. Der Vertragszwang bringt die Krankenkassen dazu, auch mit den teuersten Ärzten zusammenzuarbeiten. Die falschen Anreize für Spitäler, Ärzte, Apotheker, Labors, Therapeuten, Hilfsmittel- und Pharmahersteller führen zu einer Überversorgung. So etwa, wenn Ärzte dank leistungsabhängiger Prämien ihren Lohn durch Mehrbehandlung erhöhen können. Oder wenn die Qualität eines Spitals an der Sterberate gemessen wird, sodass die Ärzte alles unternehmen, um Patienten am Leben zu erhalten.

Das Gesundheitswesen ist ein hochkomplexes System mit vielen Mitspielern mit unterschiedlichen Interessen und grossem politischem ­Einfluss. Reformen, die das Kostenwachstum bremsen könnten, haben es schwer. Das ­Parlament vermag sich oft nur noch auf den kleinsten ­gemeinsamen Nenner zu einigen: die Belastung des Prämien- und Steuerzahlers. Die Kosten ­werden weiter steigen, bis der Unmut der Zahler die Politik zum Handeln zwingt. Ob unter diesem Druck dann gute Lösungen resultieren oder nicht doch eher populistische Schnellschüsse, ist ­offen.

Eine solch pessimistische Einschätzung wäre gemäss WHO-Definition Ihrem Wohlergehen nicht besonders förderlich. Deshalb schliesse ich lieber mit Thomas von Aquin: «Gesundheit ist weniger ein Zustand als eine Haltung, und sie gedeiht mit der Freude am Leben.»

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 21. Januar 2018

Von Warren Buffett lernen: Jeder Rappen zählt

Warren Buffett hat seine Wette gegen die Hedgefonds gewonnen, und zwar um Längen. 2007 setzte er 1 Million Dollar darauf, dass ein billiger Indexfonds auf den US-Börsenindex S & P 500 über die nächsten zehn Jahre besser rentieren werde als eine Auswahl von Hedgefonds. Nur ein Hedgefonds-Manager hielt dagegen. Der berühmte Investor und Vorsitzende der Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway hat recht behalten. Die Hedgefonds-Profis kamen nicht annähernd an die Leistung des Indexfonds heran. Der S & P erzielte in den zehn Jahren von 2008 bis Ende 2017 eine jährliche Rendite von 7,1 Prozent, die Hedgefonds-Auswahl nur 2,1 Prozent.

Wissenschaftler weisen seit langem darauf hin, dass es aktiven Fondsmanagern nur selten gelingt, über längere Zeiträume den Markt zu schlagen. Wegen hoher Kosten schneiden sie in der Regel schlechter ab als passive Fonds und die meist wesentlich günstigeren börsengehandelten Indexfonds ETF. Hedgefonds kassieren oft 2 Prozent Gebühren und 20 Prozent des jährlichen Gewinns, zusätzlich zu den Kosten der einzelnen Fonds. ETF auf den US-Aktienmarkt verlangen dagegen meist weniger als 0,1 Prozent Gebühren.

Dabei geht es nicht so sehr um den Unterschied zwischen aktivem und passivem Investieren – dieser Streit wird endlos weitergehen. Entscheidend ist der Unterschied zwischen teuer und billig. Buffett, selbst ein aktiver Investor, zeigt mit seiner Wette, dass beim Investieren immer auch die Kosten zählen. Die Kostenunterschiede in der Fondswelt sind enorm. Wenn in diesen Tagen die Fondsabschlüsse der Banken in die Briefkästen flattern, sollte man deshalb an Warren Buffett denken. Gerade im heutigen Nullzinsumfeld zählt jeder Rappen, den man bei den Kosten spart.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 7. Januar 2017

Bitcoin, Kryptokätzchen & Co. – so lohnt sich beten

Bitcoins verloren letzte Woche rund 8000 Dollar oder 40 Prozent an Wert. Das bringt die Bitcoin-Gläubigen nicht aus dem Konzept. Ihr Credo heisst «HODL». Nach einem Kurseinbruch hatte ein Softwareentwickler 2013 in einem Blogpost mit dem Titel «I am hodling» begründet, warum er Bitcoins auf ­keinen Fall verkaufen, sondern immer halten (hold) werde. Der Druckfehler machte ihn berühmt. Seither senden die Gläubigen, immer wenn der Bitcoin-Kurs sinkt, ihr «HODL» via soziale Medien in den Äther.

Jeder kann Geld schaffen, erklärte der Ökonom Hyman Minsky, ein Experte für Finanzkrisen und Spekulationsblasen, schon vor Jahrzehnten. «Das Problem ist, es akzeptiert zu bekommen.» Das hat bei Bitcoins bisher nicht schlecht funktioniert, obwohl sie als Währung schlecht taugen. Der Handel ist anfällig für Betrug, die Transaktionen sind langsam und teuer. Am Freitag, als der Kurs steil nach unten ging, warteten zeitweise über 280 000 Transaktionen auf eine Bestätigung. Bei den Kryptokätzchen, die in den letzten Wochen Furore machten, ist die Luft allmählich wieder draussen. Ihr Durchschnittspreis hat sich seit Anfang Dezember fast halbiert, Spitzenpreise wurden nicht mehr bezahlt. Es sieht so aus, als ob die Preise von über 100’000 Dollar von Früheinsteigern manipuliert waren, um Spieler anzulocken.

Mit Kryptowährungen ist fast alles möglich. Zum Beispiel ein digitalisiertes Gebet – «an Gott gesandt und in der Blockchain gespeichert». Der Prayer Token kostet derzeit rund 18 Dollar. «Ich weiss nicht, ob Gebete wirken, aber wenn sie es tun, dann erhalten Sie mehr Wert mit einem Prayer Token als mit jeder anderen Währung», verspricht der Anbieter. «Andere Kryptowährungen auf dem Markt wollen nur Ihr Geld – ich will Ihre Seele retten!» Das klingt doch nach einem fairen Angebot.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 24. Dezember 2017

«No Billag»: Wegen einer Sendung muss man ja nicht gleich den Sender schliessen

 

«Jeder Rappen zählt» ist endlich zu Ende. Eine Woche lang mit Dauerwerbesendungen auf ­allen Kanälen hat Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) Geld gesammelt für einen guten Zweck. «Wieder richtig berührend» sei das gewesen, finden die Macher. «Sieben Tage lang ein warmes Gefühl in der Brust. Sieben Tage lang praktisch keinen Schlaf.» Sie feiern vor allem sich selber.

Die SRF-Aktion illustriert trefflich das Problem der Schweizerischen Radio- und Fernseh­gesellschaft in Zeiten von No Billag. Was die ­Radio- und Fernsehleute als philanthropisches ­Engagement ansehen, ist für Kritiker ein weiteres Beispiel für die Aggressivität und Masslosigkeit, mit der die SRG sich auf neuen Geschäftsfeldern breitmacht. «Jeder ­Rappen zählt» generiert nicht neue Spenden, sondern verteilt sie bloss um. Gegen die Werbewirkung von SRF haben kleinere Hilfswerke keine Chance.

Die No-Billag-Initiative, über die wir am 4. März abstimmen, will eine staatliche Finanzierung von Radio und Fernsehen verunmöglichen. Die Abschaffung der SRG, noch vor wenigen Jahren undenkbar, rückt in den Bereich des Möglichen. Die Meinungsumfragen deuten derzeit auf ein Ja hin. Allerdings sollte man vorsichtig sein mit ­Umfragen. Es wird immer schwieriger, eine gute Stichprobe für Telefon- oder Onlineumfragen zu finden. Ausserdem steht der Meinungsbildungsprozess noch am Anfang. Auf den sozialen Medien wird zwar schon seit Wochen heftig gestritten, aber in diesen Filterblasen macht die schweigende Mehrheit nicht mit. Die gegnerische Kampagne ist noch nicht richtig angelaufen. Wie nebenstehende Umfrageresultate zeigen, ist vielen Befragten noch nicht klar, was die Konsequenzen eines Ja wären.

Die Gegner der Initiative haben es nicht leicht. Konservative nerven sich über den Linksdrall in manchen Sendungen, die Ausdehnung der SRG weckt Widerstand. Vor allem aber findet jeder Fernsehzuschauer mit Leichtigkeit etwas, das ihm an SRF nicht passt. Normalerweise würde man einfach umschalten, wenn «10 vor 10» wieder mal langweilt oder der «Kulturplatz» Sendezeit vergeudet. Dank No Billag wird das Fluchen und Klagen jetzt gehört. Aber wegen einer Sendung, die einem nicht passt, muss man ja nicht gleich den Sender schliessen.

Man sollte nicht vergessen, dass die SRG viele gute Journalisten beschäftigt und Informationssendungen produziert, die in der kleinen Schweiz ohne Gebühren nicht zu finanzieren wären. Ohne starke Medien, ob staatlich oder privat, gibt es nur sich selbst bestätigende Filterblasen. Starke Medien bieten den Raum für Auseinandersetzungen und Debatten, auf den eine direkte Demokratie wie die schweizerische angewiesen ist.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 24. Dezember 2017