«Wann wirds mal wieder richtig Sommer?» – In den verregneten Sommern 2011, 2012, 2014 und 2016 gab der Evergreen des Showmasters Rudi Carrell der Stimmung im Lande präzise Ausdruck. Dieses Jahr ist endlich alles anders. Wunderbares Sommerwetter, laue Nächte, Badeferien, ohne verreisen zu müssen – was will man mehr? Vieles natürlich. Der Mensch ist nie zufrieden. Nicht nur die Bauern jammern. Die Meldungen über Waldbrände und Todesopfer in Griechenland, Dürren und Hitzetote können einem tatsächlich die Freude vergällen. Die Sorge um die Umwelt und die Angst vor dem Klimawandel schleichen sich unwillkürlich ein, auch wenn man einfach mal nur da liegen und den Sommer geniessen möchte.
Klimaaktivisten tragen das ihre dazu bei. Wassermangel, Waldbrände, der Krieg in Syrien, Migration aus Afrika: Für jedes Problem wird der Klimawandel verantwortlich gemacht. Die trägen Menschen müssen schliesslich wachgerüttelt werden. Doch die Wirkung ist leider oft auch kontraproduktiv. Was dabei schiefgehen kann, zeigt die Geschichte vom sterbenden Eisbären in der kanadischen Arktis, die im letzten Dezember durch die ganze Welt ging. «So sieht der Klimawandel aus», schrieb das Magazin «National Geographic» zum Video des sterbenden Bären. In seiner neuesten Ausgabe schildern die Filmer, wie es dazu kam. Sie geben zu, dass die Verknüpfung zwischen dem Tod des Eisbären und dem Klimawandel konstruiert war. Im Rückblick sei das Magazin «zu weit gegangen». Statt eines Tierarztes oder der Naturschutzbehörde hatten die Umweltaktivisten ein Filmteam herbeigerufen. Sie filmten und fotografierten und liessen das kranke Tier mehrere Tage leiden. Der Zweck heiligt die Mittel. Aber das funktioniert eben nur kurzfristig. Den Klimawandel für die Migration aus Afrika oder den Krieg in Syrien verantwortlich zu machen, lenkt vom Politikversagen ab. Panikmache schadet der Glaubwürdigkeit der seriösen Klimaforschung.
Aber die Erwärmung ist real. Wir müssen uns die Frage stellen, was alles passieren kann, wenn es auf der Erde noch wärmer wird. Auch wenn aktuelle Wetterphänomene nicht direkt auf den Klimawandel zurückgeführt werden können, die Wissenschaft ist sich einig: Erwärmt sich die Welt weiter, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für extrem heisse Tage und andere Wetterextreme.
Wir können den schönen Sommer geniessen, ohne in Pessimismus und Panik zu verfallen. Aber wir müssen über Kosten und Nutzen von Massnahmen diskutieren und alles tun, was wirksam und kostengünstig Gefahren abwenden oder uns vor solchen schützen kann.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 29. Juli 2018