Fühlen Sie sich gesund? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit als «Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens». Sollten Sie sich jetzt immer noch gesund fühlen: Denken Sie an die Erhöhung der Krankenkassenprämie. Spätestens jetzt dürften Sie gemäss WHO-Definition ein wenig krank sein.
Die Schweiz verfügt über eine hochstehende Gesundheitsversorgung. Sie ist auch entsprechend teuer. Nicht alle Leistungen sind dabei wirksam oder effizient. Experten schätzen, dass vielleicht ein Fünftel der von den Krankenkassen bezahlten Kosten durch mehr Effizienz gespart werden könnte. Dazu gehören die schätzungsweise 4 Milliarden Franken, die entstehen, weil Patienten ihre Medikamente nicht oder nicht richtig einnehmen.
Die weiteren Kostentreiber im Gesundheitswesen sind erkannt. Es sind die Spitäler, in denen die Kosten im ambulanten Bereich, in dem der Patient das Spital gleichentags wieder verlässt, rasant wachsen. Kantonale Eigeninteressen verunmöglichen die Schliessung unrentabler Spitäler. Die hohe Ärztedichte, besonders bei den Spezialärzten, treibt die Kosten ebenso wie Patienten, die für jede Kleinigkeit medizinische Hilfe einfordern. Der Vertragszwang bringt die Krankenkassen dazu, auch mit den teuersten Ärzten zusammenzuarbeiten. Die falschen Anreize für Spitäler, Ärzte, Apotheker, Labors, Therapeuten, Hilfsmittel- und Pharmahersteller führen zu einer Überversorgung. So etwa, wenn Ärzte dank leistungsabhängiger Prämien ihren Lohn durch Mehrbehandlung erhöhen können. Oder wenn die Qualität eines Spitals an der Sterberate gemessen wird, sodass die Ärzte alles unternehmen, um Patienten am Leben zu erhalten.
Das Gesundheitswesen ist ein hochkomplexes System mit vielen Mitspielern mit unterschiedlichen Interessen und grossem politischem Einfluss. Reformen, die das Kostenwachstum bremsen könnten, haben es schwer. Das Parlament vermag sich oft nur noch auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen: die Belastung des Prämien- und Steuerzahlers. Die Kosten werden weiter steigen, bis der Unmut der Zahler die Politik zum Handeln zwingt. Ob unter diesem Druck dann gute Lösungen resultieren oder nicht doch eher populistische Schnellschüsse, ist offen.
Eine solch pessimistische Einschätzung wäre gemäss WHO-Definition Ihrem Wohlergehen nicht besonders förderlich. Deshalb schliesse ich lieber mit Thomas von Aquin: «Gesundheit ist weniger ein Zustand als eine Haltung, und sie gedeiht mit der Freude am Leben.»
Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 21. Januar 2018