Automatisierung

Wenn künstliche Intelligenz zuschlägt

Computerprogramme schlagen die besten menschlichen Schachspieler seit dem legendären Kampf von Garry Kasparow gegen den Supercomputer Deep Blue von IBM im Jahr 1997. Erst in diesem Jahr konnte der Computer Alpha-Go erstmals die Nummer 1 der Weltrangliste im komplexen Strategiespiel Go schlagen. Nun hat die Google-Tochter Deep Mind mit Alpha Zero einen selbstlernenden Algorithmus entwickelt, der selbstständig die Strategiespiele Schach, Shogi und Go lernt. Alpha Zero musste nur vier Stunden «üben», um die weltbesten Spielprogramme in einem Turnier zu schlagen: im Schach den bisherigen Weltmeister Stockfish, im Shogi Elmo und im Go den Alpha Go Zero. Alpha Zero hatte alle drei Spiele nur anhand der Regeln und durch Spielen gegen sich selbst erlernt.

Das scheint den Stimmen recht zu geben, die davor warnen, Roboter würden uns dank künstlicher Intelligenz bald all unsere Jobs wegnehmen. In der Vergangenheit haben uns Maschinen immer wieder Arbeit abgenommen. Der Mensch hat sich angepasst und wurde dank maschineller Hilfe viel leistungsfähiger. Es entstanden neue, weniger anstrengende oder gefährliche Berufe. Das angekündigte Heer von arbeitslosen Opfern der Automatisierung wurde nie Wirklichkeit.

Aber werden wir in dem Tempo lernen und uns anpassen können, das die künstliche Intelligenz erfordert? Zweifel sind erlaubt. Andererseits wäre wiederum paradox: Wenn die Roboter so gut werden, wie es die Warner voraussagen, dann sollten sie auch in der Lage sein, unser Lernen auf ein weit höheres Niveau zu heben. Sie sollten uns dann auch beibringen können, wie wir sie sinnvoll ergänzen und wie wir unsere menschlichen Fähigkeiten am besten einsetzen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 10. Dezember 2017

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Sollen doch die Roboter Steuern zahlen

Roboter nehmen uns die Arbeit weg. Xavier Oberson, Professor für Steuerrecht an der Universität Genf, fordert deshalb eine Robotersteuer. Der BMW-Betriebsratschef schlägt eine Digitalisierungssteuer vor für Unternehmen, die Arbeitskräfte durch Computer ersetzen. Und die österreichischen Sozialdemokraten möchten eine Maschinensteuer, um die Steuerlast von der Arbeit zum Kapital zu verschieben. Was auf den ersten Blick clever aussieht, ist ökonomisch und steuerpolitisch wenig durchdacht.

Die Befürchtung, dass uns die Arbeit ausgehen könnte, erwies sich in der Vergangenheit regelmässig als unbegründet. Der technische Fortschritt brachte nicht Elend, sondern Wohlstand für alle. Es ist auch nicht klar, dass wegen des Einsatzes von Robotern die Kapitalerträge auf Kosten der Löhne steigen. Trotz intensiver Automatisierung blieb die Lohnquote – der Anteil der Löhne am Volkseinkommen – in der Schweiz stabil.

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Sollten aber die Kapitalerträge dank Robotern tatsächlich steigen, dann erhöhen sich auch die Gewinnsteuereinnahmen. Dafür braucht es keine neue Steuer, die sehr viel schwieriger zu erheben wäre.

Belastet man das Kapital mit einer Robotersteuer, sinkt die Produktivität der eingesetzten Arbeit. Unser Wohlstand beruht aber auf einer hohen Produktivität – der Fähigkeit, möglichst viel Wert mit möglichst wenig Arbeitseinsatz zu schaffen. Deshalb haben wir die höchsten Löhne der Welt. Eine Robotersteuer bremst durch die Erhöhung der Kapitalkosten den technischen Fortschritt, beeinträchtigt die Produktivität und dämpft den Lohnanstieg.

Hinter der Robotersteuer steckt ein ökonomischer Irrtum, der auch im Streit um die Unternehmenssteuerreform wuchert. Zwar zahlen Unternehmen die Steuer, aber letztlich tragen müssen sie natürliche Personen: Aktionäre über tiefere Ausschüttungen, Kunden über höhere Preise und Arbeitnehmer über tiefere Löhne. Weil aber das Kapital mobil ist und die Preise im Wettbewerb kaum erhöht werden können, schultern Arbeitnehmer die Hauptlast.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 5. Februar 2017

Falscher Roboter-Alarm

29.5.2016 / Armin Müller

47 Prozent, fast die Hälfte aller Jobs, könnten bald von Maschinen erledigt werden. Mit diesem Resultat ihrer Untersuchung des US-Arbeitsmarktes erregten zwei Forscher der Universität Oxford vor knapp drei Jahren enormes Aufsehen. Die berühmte Oxford-Studie fehlt seither in keiner Debatte um die Zukunft der Arbeit. In einer Zeit steigender Arbeitslosigkeit und wachsender Ungleichheit fallen ihre Argumente auf fruchtbaren Boden.

Die Angst vor den stellenfressenden Robotern ist heute weit verbreitet. Am 30. April tanzten Befürworter der Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen als Roboter verkleidet durch die Zürcher Bahnhofstrsasse. Ihre Botschaft: «Das Grundeinkommen ist die Antwort auf die Digitalisierung.»

In einer Untersuchung der OECD beanstanden nun drei Forscher methodologische Mängel der Oxford-Studie. Diese untersuchte Beschäftigungen ohne zu beachten, dass in vielen vergleichbaren Jobs sehr unterschiedliche Aufgaben und Tätigkeiten verlangt werden. So besteht oft ein erheblicher Teil der Arbeit aus interaktiven, nicht routinemässigen Tätigkeiten, die kaum automatisierbar sind. So sind gemäss Oxford-Studie 98 Prozent der Buchhalter-Jobs automatisierbar. Aber gemäss OECD können nur 24 Prozent dieser Angestellten ihre Aufgaben ohne Teamwork und ohne persönliche Kontakte erfüllen.

Die Fokussierung auf konkrete Tätigkeiten statt auf Berufe führt zu ganz anderen Schlüssen. Statt 47 Prozent wie in der Oxford-Studie sind gemäss OECD nur 9 Prozent der Beschäftigungen automatisierbar. Den tiefsten Anteil an automatisierbaren Jobs weist Südkorea mit 6 Prozent auf, den höchsten Österreich und Deutschland mit 14 respektive 13 Prozent. Die Schweiz wurde nicht untersucht. Überall tragen die schlecht qualifizierten Arbeitskräfte die Hauptlast der Automatisierungsfolgen. Das Fazit lautet deshalb ganz anders als jenes der Grundeinkommensbefürworter. Staat und Wirtschaft sollten sich auf Bildung, Umschulung und Qualifizierung konzentrieren, statt eine Rente für alle einzuführen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 29. Mai 2016

Einen Gang runterschalten

8.2.2016 / Armin Müller

Die Technik wird den Menschen unterstützen, nicht überflüssig machen – ein Kommentar zum selbstfahrenden Auto

Das selbstfahrende Auto wird nie müde, trinkt keinen Alkohol, fährt nicht bei Rot über die Kreuzung und lässt sich nicht vom Beifahrer ablenken. Über 90 Prozent der Verkehrsunfälle gehen auf menschliches Versagen zurück. Jedes Jahr sterben auf den Strassen der Welt mehr als 1,2 Millionen Menschen. Das selbstfahrende Auto soll diese Zahl dramatisch senken.

Google, Autohersteller und andere Technologieunternehmen treiben Forschung und Entwicklung im Eiltempo voran. Die Schweizer Post testet in Sitten zwei Minibusse, die in der Innenstadt Passagiere transportieren sollen. Voll automatisierte Autos könnten schon in zehn Jahren strassentauglich sein. Singapur oder chinesische Städte könnten die Pioniere sein, die ein System mit selbstfahrenden Autos als erste realisieren.

Bis es so weit ist, muss das autonome Auto allerdings noch einige Schikanen umfahren. Und die Gesellschaft muss noch einige schwierige Fragen beantworten, die bisher noch kaum gestellt, geschweige denn debattiert wurden. Denn gänzlich unfallfrei wird selbst das Google-Auto nie fahren. Auch wenn mit dem sich selbst überschätzenden Menschen der grösste Risikofaktor eliminiert werden sollte, wird es auf den Strassen hie und da zum Crash kommen. Wie die bisherigen Tests zeigen, ist der Roboter zwar im Regelfall, aber nicht in jeder Situation der bessere Fahrer.

Soll das Auto dem Kindergärtler ausweichen oder dem Rentnerpaar?

Mit der Software im Fahrzeug sind auch ethische Dilemmas programmiert. Soll das Auto, wenn der Unfall trotz Vollbremsung nicht mehr zu vermeiden ist, den Fussgänger überfahren oder gegen den entgegenkommenden Lastwagen steuern und damit die Insassen umbringen? Soll es dem Kindergärtler ausweichen oder dem Rentnerpaar?

Und wer entscheidet, wie der entsprechende Algorithmus programmiert wird? Der Autohersteller, der Fahrer, ein Ethikrat, das Strassenverkehrsamt, die Haftpflichtversicherung? Das sind Fragen, die wir diskutieren müssten, bevor die Google-Autos in Massen auf die Strassen losgelassen werden.

Die Angst, dass Roboter uns das Steuer aus der Hand nehmen und überflüssig machen, ist weit verbreitet. Die Pessimisten und Mahner vor den negativen Folgen des Fortschritts finden leicht Gehör in einer verunsicherten Welt. Aber die Geschichte hat sie regelmässig widerlegt.

Computer und Automatisierung haben den Menschen nicht aus dem Cockpit verdrängt

Der Mensch wird nicht einfach überflüssig. In der Luft- und Raumfahrt oder in der Unterwasser-Erforschung wurden aus Sicherheitsgründen immer wieder menschenfreie, vollautomatisierte Systeme propagiert – aber nie wirklich realisiert, wie der MIT-Professor David Mindell in seinem neuen Buch zeigt.

Computer und Automatisierung haben den Menschen nicht aus dem Cockpit verdrängt oder vom Fahrersitz gestossen, sondern sie haben ihm sehr viel mehr Kontrolle verschafft. Diese Mensch-Maschine-Kombination hat die Sicherheit etwa in der Luftfahrt dramatisch erhöht.

Die Technik wird Autos in Zukunft sehr viel sicherer und die Aufgabe des Fahrers sehr viel einfacher machen. Aber nicht mit dem autonomen Roboter, sondern mit zuverlässigen, transparenten, sicheren Systemen, mit denen der Mensch interagiert und so seine Bewegungen besser steuern kann. Die «schöne neue Welt» des Google-Autos ist nicht die Zukunft.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 7. Februar 2016