Preis

Euroschwäche kam nicht bis zum Konsumenten

Wenn der Euro schwächer wird, müssten viele Produkte billiger werden. Als Konsument hat man jedoch oft nicht das Gefühl, die Preise würden auf breiter Front sinken. Wie stark schlagen Wechselkursveränderungen tatsächlich auf die inländischen Preise durch? Die überraschende Aufhebung des Euro-Mindestkurses im ­Januar 2015 bot Raphael Auer, Ökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Ariel Burstein, Professor an der University of California in Los Angeles, und Sarah M. Lein, Assistenzprofessorin an der Universität Basel, eine einmalige Ge­legenheit, diese Fragen zu untersuchen. Für ihre soeben ver­öffentlichte Studie stützten sie sich auf Daten des Haushalts­panels des Marktforschungsinstituts AC Nielsen, für das über 3000 Haushalte die Barcodes ihre ­Einkäufe scannen, und auf die Importpreisstatistik des Bundes.

Der Franken wertete sich um 14,7 Prozent auf in den ersten sechs Monaten nach Aufhebung des Mindestkurses. Die Waren aus dem Euroraum müssten eigentlich in ähnlichem Ausmass billiger geworden sein. Das war jedoch nicht der Fall. Die Preise der importierten Produkte im ­Detailhandel – sie machen rund ein Viertel des Angebots aus – sanken im Schnitt lediglich um 3 Prozent. Die Grosshandelspreise an der Grenze gaben im Schnitt um 7 Prozent nach. In Produktkategorien mit starker Konkurrenz durch billiger gewordene Importgüter wurden auch die hierzulande hergestellten Produkte billiger. Die Importe konnten ihren Marktanteil erhöhen: Ihr Anteil an den Haushaltsausgaben nahm von 26,5 auf 27,4 Prozent zu.

Das Gefühl hat also nicht ge­trogen. Die abrupte Euro-Abwertung hat tatsächlich nur langsam und unvollständig auf die Preise in der Schweiz durchgeschlagen. Das lag auch daran, dass etwa zwei Drittel der importierten ­Güter in Franken fakturiert wurden. Die höheren Margen sackten die Lieferanten ein. Bei Produkten, für die in Euro Rechnung gestellt wurde, sanken die Preise deutlich schneller und stärker.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 7. Oktober 2018

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Wie der Handel im Internet die Preise drückt

Die Verschwörungstheorie ist nicht totzukriegen: Die Behörden manipulieren den Konsumentenpreisindex, sodass die offizielle Teuerung die wahre Inflation immer unterschätzt. Bis in die frühen 1990er-Jahre waren in der Schweiz Inflationsraten von vier und mehr Prozent üblich. In den letzten zehn Jahren lag die Teuerung dagegen mehrheitlich sogar unter null, die Preise sanken also.

Mit einer Verschwörung hat das nichts zu tun. Billigere und leistungsfähigere neue Produkte kamen auf den Markt, der starke Franken verbilligte die Importe, mehr Wettbewerb verhinderte, dass die Anbieter ihre Preise erhöhen konnten. Das Internet trägt seinen Teil dazu bei. Neue Anbieter können damit einfacher in einen Markt eintreten. Sie haben tiefere Kosten, weil sie auf Ladengeschäfte an teuren Standorten verzichten können. Die Konsumenten können online sehr viel leichter die Preise vergleichen, der günstigere Anbieter ist stets nur einen Klick entfernt. Das erschwert Preiserhöhungen und bevorteilt Billiganbieter.

Eine neue Untersuchung der Ökonomen Austan Goolsbee (Chicago) und Peter Klenow (Stanford) zeigt nun, wie stark das Internet die Preise beeinflusst. Und sie liefert einen Beleg dafür, dass die offizielle Statistik die Inflation nicht unter-, sondern deutlich überschätzt. Die Forscher werteten Preise und Mengen von monatlich über zwei Millionen Onlinekäufen in den USA zwischen 2014 und 2017 aus. Bei den Onlineartikeln – vor allem Lebensmittel, Getränke, Haushaltsartikel, Spielwaren, Elektronik, Möbel und Kleider – lag die Inflation 1,3 Prozent niedriger, verglichen mit der offiziell ausgewiesenen Teuerung in den gleichen Produktkategorien, die über Käufe in stationären Läden gemessen wird.

Die Forscher stellten auch fest, dass neue oder modernisierte Produkte im Internet in sehr hohem Rhythmus auf den Markt kommen. 44 Prozent der beobachteten Onlineprodukte waren im Vorjahr noch nicht auf dem Markt gewesen. Und zwar ohne Berücksichtigung der Kleider, bei denen die Produkterneuerung entsprechend den modischen Trends häufiger erfolgt. Auf der anderen Seite verschwanden aber auch mehr als 20 Prozent der Produkte von einem aufs nächste Jahr aus den Onlineshops.

Das rasche Auftauchen von neuen, verbesserten Produkten hat zur Folge, dass die wahre Teuerung noch zusätzlich überschätzt wird. Bereinigt um die neuen Produkte liegt die Onlineinflation mehr als 3 Prozent tiefer als die offizielle Teuerung.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 15. Juli 2018

Nivea in die Augen geschmiert

Die Volksinitiative «Stopp der Hochpreisinsel – für faire Preise» kommt zustande, wie der «Tages-Anzeiger» am Donnerstag vermeldete. Die Initiative will «missbräuchliche Schweiz-Zuschläge» für im Ausland hergestellte Produkte unterbinden und so für günstigere Preise sorgen. Das klingt gut. Im Visier haben die Konsumentenschützer, Wirte und Gewerbler vor allem ausländische Markenhersteller wie Beiersdorf, die Nivea hierzulande teurer verkauft als in Deutschland. Die Initiative will sie zwingen, zum tieferen ausländischen Preis in die Schweiz zu liefern.

Was auffällt: Die Initianten konzentrieren sich damit ausgerechnet auf die Bereiche, die den geringsten Preisunterschied zum Ausland aufweisen. Dauerhafte Konsumgüter sind nur 2 Prozent teurer als im Durchschnitt der Euroländer, Bekleidung und Schuhe ebenso wie Maschinen und Geräte 11 Prozent, alle Konsumgüter 20 Prozent. Im Haushaltsbudget der Konsumenten machen diese Ausgaben immer weniger aus, weil die Preise seit Jahren stagnieren oder sinken. Zudem findet der Konsument Dutzende von Konkurrenzprodukten zu Nivea.

Unberührt von der Initiative bleiben dagegen ausgerechnet jene Bereiche, die das Haushaltsbudget am stärksten belasten, wo die Preise dauernd steigen und wo sie extrem viel höher sind als im Euroland: Lebensmittel (51 Prozent), Fleisch (105 Prozent), staatliche Dienstleistungen (81 Prozent), Wohnen (66 Prozent), Gesundheit (78 Prozent), Spitäler (123 Prozent), Bildung (139 Prozent) und persönliche Dienstleistungen (115 Prozent).

Das sind alles Märkte, wo wenig Wettbewerb herrscht, der Staat bestimmt (Bildung, Gesundheit, Energie, Verkehr, Landwirtschaft) oder wo die hohen Löhne den Unterschied zum Ausland ausmachen (nicht handelbare Dienstleistungen vom Coiffeur bis zum Berater).

Die Initiative «Stopp der Hochpreisinsel» verspricht zu viel. Sie bekämpft nicht die Ursachen, nur Symptome. Sie schmiert den Konsumenten Nivea in die Augen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 1. Oktober 2017

Wenn der Staat manipulative Preise verbietet

Ovomaltine für 6.59 Franken, Stocki für 4.99 – zum 50-Jahr-Jubiläum macht der Discounter Denner bei bestimmten Markenprodukten seit kurzem wieder Rappenpreise, vorzugsweise ­natürlich mit einer 9 am Schluss. Die deutschen Discounter Aldi und Lidl hatten die bekannten 99-Rappen-Preise für ihren ­Markteinstieg in der Schweiz aus Deutschland mitgebracht. Weil der Einräppler 2007 ausser Kurs gesetzt wurde, runden sie an der Kasse einfach auf den nächsten Fünfer ab.

Die Händler nutzen damit einen psychologischen Trick. Denn wir Konsumenten kaufen bekanntlich nicht ganz rational. Wir lassen uns leicht von der 9 blenden und runden Rappen automatisch auf den Franken ab. Diese mensch­liche Schwäche sollten Händler nicht mehr länger ausnützen ­dürfen, befand die israelische ­Regierung. Sie verbot kurzerhand per Gesetz die «manipulativen», auf 9 endenden Preise. Bis dahin hatten diese in den Supermärkten dominiert. Rund drei Viertel aller Preise hatten eine 9 am Schluss, obwohl sowohl das 1- wie auch das 5-Schekel-Stück längst ­abgeschafft waren. An der Kasse wurden die Preise auf den ­nächsten Zehner abgerundet. Seit Januar 2014 müssen alle Preise auf null enden.

Ein Team von israelischen und amerikanischen Forschern untersuchte, was danach ­geschah (PDF). Der Anteil der auf 90 endenden Preise stieg innert ­weniger Monate von 6 auf 55  Prozent. In der Schweiz ist das nicht anders. Im Onlinemarkt Le Shop zum Beispiel enden 73 Prozent der Waschmittelpreise auf 90 oder 95 Rappen. In anderen Produktkategorien sieht das Bild ähnlich aus.

Die 90er-Endungen haben die Funktion der 9er-Endungen übernommen – und sie funktionieren nach dem gleichen ­psychologischen Trick. Sie ziehen uns magisch an, indem sie tiefe Preise signalisieren. Sie verleiten uns zu Fehlern bei Vergleichen und lassen uns Preiserhöhungen leichter übersehen. Das mag Konsumentenschützer nerven. Aber das Beispiel aus Israel zeigt, wie leicht eine gutgemeinte ­Regulierung ins Leere läuft.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 19.3.2017