Steuern

Moralischer Appell lässt Steuern sprudeln

«Pöstler bringen Freude», behauptet die Post. Schön wärs. Alle Jahre wieder findet man im Briefkasten ein dickes Couvert mit hohem Wiedererkennungswert, das einem mit Sicherheit die Laune verdirbt: die Steuererklärung. In der Schweiz enthält der Brief der Steuerverwaltung meist nur trockene Informationen und Anweisungen. In Norwegen, das wie die Schweiz auf Selbstdeklaration setzt, haben Verhaltensökonomen in einem Experiment untersucht, wie sich ein Begleitbrief auf die Steuerehrlichkeit auswirkt.

Die Steuerbehörde verschickte unterschiedlich formulierte Briefe an 15 000 Steuerpflichtige, die verdächtigt wurden, ausländische Einkommen nicht korrekt deklariert zu haben. Der Standardbrief wies auf die Bedeutung ausländischer Einkommen hin und legte dar, wie diese zu deklarieren seien. Zwei Briefe enthielten moralische Appelle: Sie zeigten den gesellschaftlichen Nutzen der Besteuerung auf. Oder sie betonten, die meisten Norweger würden ihre inländischen Einkommen korrekt versteuern – es sei deshalb ein Gebot der Fairness, auch ausländische Einkünfte zu deklarieren. Ein weiterer Brief tönte an, dass die Steuerbehörde über Informationen zu ausländischen Einkommen oder Vermögen verfügen könnte. Eine Kontrollgruppe erhielt kein besonders Schreiben.

Wie wirkten sich die unterschiedlichen Vorgehensweisen auf die Steuermoral aus?

Moral ist ein starkes Argument, stellten die Forscher fest. Ein paar Worte in einem nüchternen Schreiben der Steuerbehörde beeinflussen die Steuerehrlichkeit messbar. Schon die Empfänger des Standardbriefes deklarierten mehr Auslandseinkommen als die Kontrollgruppe. Die Empfänger eines moralischen Appells hingegen deklarierten fast doppelt so viel Geld wie die Empfänger des Standardbriefes. Und der Hinweis auf eine mögliche Entdeckung führte zu einem starken Anstieg des Anteils der Steuerzahler, die Auslandseinkommen deklarierten.

Die Schweiz könnte von Norwegen lernen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 18. März 2018

Wer dem Koch nicht traut, lässt die Suppe stehen

Die Zuger lieferten die Milch, die Zürcher das Brot. Und während die Suppe kochte, vermittel­ten die neutralen Orte zwischen den Zürcher und Innerschweizer Truppen. Die Kappeler Milch­suppe verhinderte 1529 einen Bruderkrieg unter den Eidgenossen. Heute suchen wir den gut­ eidgenössischen Kompromiss zum Glück nicht mehr auf dem Schlachtfeld. Aber eine Milchsup­pe für alle braucht es immer noch, wenn die Interessen weit auseinanderliegen, wenn viel auf dem Spiel steht und wenn mit wenigen Ge­winnern und vielen Verlierern zu rechnen ist.

Viele Köche haben an der Suppe mitgekocht, die am letzten Sonntag als Unternehmenssteuer­reform III aufgetischt wurde. Das Volk hat sie zu­rück in die Küche geschickt. Jetzt wird viel über die Qualität der Kampagne gestritten. Aber es lag letztlich nicht am Aussehen der Menükarte und nicht an den Ser­vicequalitäten der Kellner, dass die Suppe nicht schmecken wollte. Die Brühe war trüb, da schwamm einiges drin, was der Bauer nicht kennt. Einige Stimmen warnten gar vor Un­verträglichkeit. Es ist verständlich, dass davon nur isst, wer dem Koch vertraut.

Die Reform scheiterte am Mangel an Ver­trauen. Aber Vertrauen kann man nicht voraussetzen, man muss es sich erarbeiten. Hier haben sowohl der Bundesrat wie die kantonalen Regierungen und die Wirtschafts­vertreter viel zu wenig unternommen. Erst eine Woche vor dem Urnengang versicherten die kantonalen Finanzdirektoren, sie würden Steuer­ausfälle nicht mit höheren Steuern für Private finanzieren. Da war es zu spät.

Die Regierenden müssen bei komplexen Vor­lagen mit unsicheren Folgewirkungen frühzeitig vertrauensbildende Massnahmen ergreifen. Sie müssen persönlich hinstehen und sich festlegen, was sie tun werden, sollten sie sich verschätzen; wo sie die Ausfälle kompensieren, wenn die Steuerausfälle grösser sind als erwartet.

In nächster Zeit kommen weitere komplexe Vorlagen mit weitreichenden und unklaren Aus­wirkungen auf den Tisch. Neben der Neuauflage der Unternehmenssteuerreform sind das zum Beispiel die Reform der Altersvorsorge oder die Energiestrategie 2050. Wohl wird man aus der Niederlage lernen, und vielleicht werden die be­gleitenden Kampagnen besser sein als dieses Mal. Aber es wäre klug, etwas weniger in Kam­pagnen und dafür viel mehr in vertrauens­bildende Massnahmen zu investieren.

Dann werden die Stimmbürger die Suppe auch wieder essen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 19. Februar 2017

Sollen doch die Roboter Steuern zahlen

Roboter nehmen uns die Arbeit weg. Xavier Oberson, Professor für Steuerrecht an der Universität Genf, fordert deshalb eine Robotersteuer. Der BMW-Betriebsratschef schlägt eine Digitalisierungssteuer vor für Unternehmen, die Arbeitskräfte durch Computer ersetzen. Und die österreichischen Sozialdemokraten möchten eine Maschinensteuer, um die Steuerlast von der Arbeit zum Kapital zu verschieben. Was auf den ersten Blick clever aussieht, ist ökonomisch und steuerpolitisch wenig durchdacht.

Die Befürchtung, dass uns die Arbeit ausgehen könnte, erwies sich in der Vergangenheit regelmässig als unbegründet. Der technische Fortschritt brachte nicht Elend, sondern Wohlstand für alle. Es ist auch nicht klar, dass wegen des Einsatzes von Robotern die Kapitalerträge auf Kosten der Löhne steigen. Trotz intensiver Automatisierung blieb die Lohnquote – der Anteil der Löhne am Volkseinkommen – in der Schweiz stabil.

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Sollten aber die Kapitalerträge dank Robotern tatsächlich steigen, dann erhöhen sich auch die Gewinnsteuereinnahmen. Dafür braucht es keine neue Steuer, die sehr viel schwieriger zu erheben wäre.

Belastet man das Kapital mit einer Robotersteuer, sinkt die Produktivität der eingesetzten Arbeit. Unser Wohlstand beruht aber auf einer hohen Produktivität – der Fähigkeit, möglichst viel Wert mit möglichst wenig Arbeitseinsatz zu schaffen. Deshalb haben wir die höchsten Löhne der Welt. Eine Robotersteuer bremst durch die Erhöhung der Kapitalkosten den technischen Fortschritt, beeinträchtigt die Produktivität und dämpft den Lohnanstieg.

Hinter der Robotersteuer steckt ein ökonomischer Irrtum, der auch im Streit um die Unternehmenssteuerreform wuchert. Zwar zahlen Unternehmen die Steuer, aber letztlich tragen müssen sie natürliche Personen: Aktionäre über tiefere Ausschüttungen, Kunden über höhere Preise und Arbeitnehmer über tiefere Löhne. Weil aber das Kapital mobil ist und die Preise im Wettbewerb kaum erhöht werden können, schultern Arbeitnehmer die Hauptlast.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 5. Februar 2017

USR III: Keine Reform ohne Risiken

Die Unternehmenssteuerreform wird zuerst einmal weniger Geld in die Staatskassen spülen. Aber die früheren Reformen zeigen, dass die dynamischen Wirkungen wichtiger sind

Am 12. Februar geht es um sehr viel Geld. Die Unternehmenssteuerreform III, über die wir abstimmen, wird zuerst einmal deutlich weniger Steuergelder in die Kassen von Bund, Kantonen und Gemeinden lenken. Die Kantone stecken im Dilemma: Die Anhebung der Steuersätze für die bisher privilegierten Spezialgesellschaften auf das ordentliche Niveau kann eine Abwanderungswelle auslösen. Versuchen die Kantone mit einer Senkung der ordentlichen Steuersätze gegenzusteuern, sinken die Steuereinnahmen bei allen übrigen Unternehmen.

SP und Gewerkschaften befürchten einen ruinösen Steuersenkungswettlauf und warnen vor «Milliardenausfällen». Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen.

Allerdings kommt es mit der Abschaffung der Steuerprivilegien auf jeden Fall zu Ausfällen. Ohne die neuen Instrumente, welche die Reform den Kantonen verschaffen will, wäre das Risiko beträchtlich, dass die Einnahmenausfälle noch höher ausfallen.

Die Berechnung von Steuerausfällen übersieht zudem die dynamischen Wirkungen einer Reform. So tragen die Unternehmen heute trotz Steuersenkungen sehr viel mehr zum Staatshaushalt bei. Die oft kritisierten Reformen von 1997 und 2008 waren offensichtlich sehr erfolgreich – gerade für die Staatskasse. Seit der ersten Unternehmenssteuerreform haben sich die Einnahmen aus der Gewinnsteuer bei Bund, Kantonen und Gemeinden mehr als verdoppelt.

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Sie wuchsen damit mehr als doppelt so schnell wie das Volkseinkommen.

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Die dynamischen Effekte der Reform sind auch wichtig, weil Unternehmenssteuern letztlich überwälzt werden – nicht nur auf die Kapitalgeber, sondern auch auf die Arbeitnehmer. Wenn die Steuern Investitionen hemmen, zahlen die Arbeitnehmer das über weniger Beschäftigung und geringeres Lohnwachstum mit.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 27. November 2016