Politik

Wer dem Koch nicht traut, lässt die Suppe stehen

Die Zuger lieferten die Milch, die Zürcher das Brot. Und während die Suppe kochte, vermittel­ten die neutralen Orte zwischen den Zürcher und Innerschweizer Truppen. Die Kappeler Milch­suppe verhinderte 1529 einen Bruderkrieg unter den Eidgenossen. Heute suchen wir den gut­ eidgenössischen Kompromiss zum Glück nicht mehr auf dem Schlachtfeld. Aber eine Milchsup­pe für alle braucht es immer noch, wenn die Interessen weit auseinanderliegen, wenn viel auf dem Spiel steht und wenn mit wenigen Ge­winnern und vielen Verlierern zu rechnen ist.

Viele Köche haben an der Suppe mitgekocht, die am letzten Sonntag als Unternehmenssteuer­reform III aufgetischt wurde. Das Volk hat sie zu­rück in die Küche geschickt. Jetzt wird viel über die Qualität der Kampagne gestritten. Aber es lag letztlich nicht am Aussehen der Menükarte und nicht an den Ser­vicequalitäten der Kellner, dass die Suppe nicht schmecken wollte. Die Brühe war trüb, da schwamm einiges drin, was der Bauer nicht kennt. Einige Stimmen warnten gar vor Un­verträglichkeit. Es ist verständlich, dass davon nur isst, wer dem Koch vertraut.

Die Reform scheiterte am Mangel an Ver­trauen. Aber Vertrauen kann man nicht voraussetzen, man muss es sich erarbeiten. Hier haben sowohl der Bundesrat wie die kantonalen Regierungen und die Wirtschafts­vertreter viel zu wenig unternommen. Erst eine Woche vor dem Urnengang versicherten die kantonalen Finanzdirektoren, sie würden Steuer­ausfälle nicht mit höheren Steuern für Private finanzieren. Da war es zu spät.

Die Regierenden müssen bei komplexen Vor­lagen mit unsicheren Folgewirkungen frühzeitig vertrauensbildende Massnahmen ergreifen. Sie müssen persönlich hinstehen und sich festlegen, was sie tun werden, sollten sie sich verschätzen; wo sie die Ausfälle kompensieren, wenn die Steuerausfälle grösser sind als erwartet.

In nächster Zeit kommen weitere komplexe Vorlagen mit weitreichenden und unklaren Aus­wirkungen auf den Tisch. Neben der Neuauflage der Unternehmenssteuerreform sind das zum Beispiel die Reform der Altersvorsorge oder die Energiestrategie 2050. Wohl wird man aus der Niederlage lernen, und vielleicht werden die be­gleitenden Kampagnen besser sein als dieses Mal. Aber es wäre klug, etwas weniger in Kam­pagnen und dafür viel mehr in vertrauens­bildende Massnahmen zu investieren.

Dann werden die Stimmbürger die Suppe auch wieder essen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 19. Februar 2017

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Je lauter die Empörung, desto besser für den neuen Präsidenten Trump

Sein Wahlkampf war unkonventionell, seine Phase als gewählter Präsident ebenso. Donald Trump liess bis zum Amtsantritt nie den Verdacht aufkommen, an seinem Stil würde sich etwas ändern. Doch bis jetzt war nur sein Showtalent gefragt, und davon hat er im Überfluss. Ab sofort ist Substanz gefragt. Hier herrscht noch Mangel.

Die weltweiten Demonstrationen und vor allem der Marsch von Hunderttausenden von Frauen sollten dem neuen Präsidenten zu denken geben. Sie trauen ihm nichts zu, es sei denn alles Böse. Aber er wird keinen Finger rühren, sie zu besänftigen. Denn sie liefern den Treibstoff für seinen Kampf. Die Bilder von Demonstranten, die gegen einen gewählten Präsidenten wüten, bestärkt seine Anhänger nur in ihrer Überzeugung, dass die Wahl Trumps nötig war.

Je lauter die Empörung in Washington – für seine Anhänger ist es das «Herz des Bösen» –, desto besser für Trump. Denn dass er der kosmopolitischen Elite und dem Washingtoner Establishment in seiner Antrittsrede keine Konzessionen machte, stärkt sein Ansehen bei seinen Wählern nur. Er kann von diesem Widerstand nur profitieren, ja er braucht ihn geradezu für seine Heldengeschichte. Der Widerstand macht ihn erst stark. Denn ohne böse und übermächtige Gegner gibt es keinen Helden. «Ich bin gekommen, um euch die Macht zurückzugeben», verspricht der Held seinen Anhängern. Es war die zentrale Aussage seiner Rede. Er baut damit fleissig an seinem  Heldenimage.

Statt Empörung ist jetzt nüchterne Analyse gefragt. Erhält die ländliche Bevölkerung tatsächlich mehr Einfluss? Gibt es wieder mehr Industriejobs? Wächst die Wirtschaft schneller? Steigen die Einkommen der einfachen Leute? Werden Brücken, Flughäfen und Strassen erneuert? Steigen die amerikanischen Exporte? Sinkt das Budgetdefizit? Verbessert sich die Gesundheitsversorgung der einfachen Bevölkerung? Kommen weniger Immigranten ins Land? Bringen die US-Firmen ihre internationalen Gewinne zurück nach Amerika? Wird die überbordende Regulierung abgebaut? 

Nur was Trump hier erreicht, zählt für seine Wähler. Wenn er hier versagt, können ihn seine Gegner entzaubern. Wer aber glaubt, Trump mit Stilkritik und Demonstrationen aufhalten zu können, ist ihm in die Falle gegangen und hat noch nicht realisiert, dass er mitbaut an Trumps Heldenimage.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 22. Januar 2017