Monat: Januar 2016

Humbug mit Zahlen

24.1.2016 / Armin Müller

Alle Jahre wieder treffen sich im Januar die Reichen und Mächtigen in Davos, um «den Zustand der Welt zu verbessern». Alle Jahre wieder nutzt die Entwicklungsorganisation Oxfam das World Economic Forum für ihre Spendenwerbung. Und alle Jahre wieder macht ihr Zahlen-Humbug weltweit Schlagzeilen. Die 62 reichsten Personen der Welt besässen so viel Vermögen wie die Hälfte der Menschheit zusammen, behauptet Oxfam. Tatsächlich kommen die 62 aber nur auf 0,7 Prozent des Weltvermögens. Das bringt jedoch keine Schlagzeile.

Dazu braucht es einen Trick. Für ihren Vergleich mixt Oxfam das «Global Wealth Databook» der Credit Suisse mit der Milliardärsliste von «Forbes». Die Credit Suisse arbeitet mit Nettovermögen, also Ersparnissen abzüglich Schulden. Das ergibt für die Bank Sinn, da sie an der Verwaltung der Finanzvermögen interessiert ist. In der Armutsdiskussion führt die Methode jedoch zu grobem Unfug. So sollen von den ärmsten 10 Prozent der Welt 17 Prozent Europäer und 10 Prozent Amerikaner sein, aber nur 0,06 Prozent Chinesen.

Zu den Allerärmsten gehören nach dieser Unstatistik mehr Deutsche als Pakistaner oder Bangladesher. Der Investmentbanker, der mit einem 100 000-Dollar-Vertrag von Harvard abgeht, zählt wegen seines Studiendarlehens zu den Ärmsten der Welt, nicht so der syrische Flüchtling, der mit 1000 Dollar nach Europa kommt.

Armut nimmt seit 30 Jahren weltweit stark ab. Zu verdanken ist das der Ausbreitung der Marktwirtschaft und Eigentumsrechten, die Wachstum möglich machten. Was Oxfam politisch bekämpft, befreite Millionen aus bitterster Armut. Ihre Rezepte bieten dagegen Gewähr, dass die Armen auch weiterhin arm bleiben. Die Propaganda hilft ihrer Spendenkasse, aber nicht den Armen dieser Welt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 24. Januar 2016

Werbung

Erfolglose Kunden sind treue Kunden

10.1.2016 / Armin Müller

Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single über Parship, wie die Datingbörse stolz verkündet. Ist das viel? Eine einfache Rechnung entlarvt die Erfolgsmeldung als Anti-Werbung. Bei 5 Millionen Mitgliedern in Deutschland beträgt die Wahrscheinlichkeit, in einem Jahr den Traumpartner zu finden, nicht mal 2 Prozent, wie Wissenschaftler um den Risikoexperten Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in ihrer «Unstatistik des Monats» berechnet haben.

Kunden enttäuschen ist ein tolles Geschäftsmodell, wenn die Kunden etwas zu sehr wollen. Denn erfolglose Kunden sind treue Kunden. Das weiss auch Swisslos, die flächendeckend damit wirbt, wie das Zahlenlotto Millionäre macht. Die Chance auf einen Volltreffer ist bei zwei Tipps für 5 Franken jedoch verschwindend gering: Sie beträgt 0,0000064 Prozent oder 2 zu 31,5 Millionen. Ökonomen bezeichnen Lotto deshalb als «Idiotensteuer».

Unseren Rechenkünsten verdanken wir es wohl eher nicht, dass die Schweiz zu den reichsten Ländern der Welt zählt. In einem kürzlich durchgeführten Vergleich der Finanzkompetenzen schnitten wir jedenfalls bei der Beantwortung einfacher Fragen zu Zins und Inflation mässig ab, schlechter als die skandinavischen Länder, Israel, Kanada, Grossbritannien oder Deutschland.

Wahrscheinlichkeiten und Risiken kann der Mensch grundsätzlich schlecht einschätzen. Das zeigt sich regelmässig, wenn alarmistische Meldungen über Gesundheitsrisiken die Runde machen. Gerd Gigerenzer fordert deshalb einen Statistikunterricht in der Schule. 

Liebe und Glück werden sich damit zwar nicht erzwingen lassen. Aber Statistik hilft beim Durchschauen von leeren Werbeversprechen, spart Geld und verhilft zu mehr Gelassenheit.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 10. Januar 2016

Silvesterwunder für die Staatskassen

10.1.2016 / Armin Müller

Die Nationalbank gerät politisch zunehmend unter Druck. Jetzt sollte die Gewinnausschüttung an die Kantone besser geregelt werden.

Vor einem Jahr hob die Nationalbank überraschend den Mindestkurs zum Euro auf. Nach dem Frankenschock kämpfen viele Unternehmen der Exportindustrie und im Tourismus ums Überleben. Auch die Politik schaltete in den Krisenmodus. Zahlreiche parlamentarische Vorstösse zielen mehr oder weniger direkt auf die Unabhängigkeit der Nationalbank. Verlangt werden Änderungen betreffend Auftrag, Aufsicht und Zusammensetzung des heute dreiköpfigen Direktoriums. Die Wirtschaft stagniert, die Arbeitslosigkeit steigt. Aber bisher zeigte sich die Wirtschaft weit widerstandsfähiger als befürchtet, die grosse Krise blieb aus. Sollten jedoch Verlagerungen ins Ausland
anhalten und die Arbeitslosigkeit steigen, wird sich der Druck auf die Nationalbank erhöhen.

Nur dank einer ungewöhnlichen Frankenschwäche an Silvester reduzierten sich die Verluste auf den Devisenbeständen der Nationalbank in den letzten Handelsstunden des alten Jahres um mehrere Milliarden Franken. Das weckt den Verdacht, die Nationalbank
habe mit Devisenkäufen nachgeholfen. Fakt ist, dass Bund und Kantone ohne dieses Silvesterwunder auf die Ausschüttung von einer Milliarde Franken hätten verzichten müssen.

Im laufenden Jahr muss die Vereinbarung über die Gewinnausschüttung neu verhandelt werden. Die jetzige Regelung beeinträchtigt die Unabhängigkeit der Nationalbank. Mancher der klammen Finanzdirektoren hat den Geldsegen fix budgetiert. Die Anlageerträge gehören den Aktionären und der öffentlichen Hand. Aber Buchgewinne auf Devisen dürfen nicht verteilt, sondern müssen zurückgestellt werden. Denn auf dem
enormen Fremdwährungsbestand werden auch in Zukunft Verluste entstehen. Die Nationalbank hat wichtigere Aufgaben als die Sanierung der kantonalen Haushalte.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 10. Januar 2016