Mobilität

Genossenschafter ans Taxi-Steuer

26.6.2016 / Armin Müller

Ein Verbot des Fahrdienstes Uber wäre die dümmste Antwort auf die Digitalisierung

Wenn Ihnen am Dienstag Autocorsos in Basel, Genf, Lausanne oder Zürich den Weg versperren, fluchen Sie nicht über Fussballfans. Es sind Taxifahrer, die gegen den Fahrdienst Uber demonstrieren. Sie fordern ein landesweites Verbot. Denn Uber stifte zu Schwarzarbeit an und zahle ­Dumpinglöhne.

Nun ist das Taxigewerbe ein staatlich sanktioniertes Kartell und bisher nicht durch Kundenfreundlichkeit aufgefallen. Wie in jedem Kartell dient die Regulierung dazu, die Konkurrenz vom Markt fern- und die Gewinne hochzuhalten. Das Taxigewerbe gilt als klassisches Feld für Schwarzarbeit. Es ist ein Vorteil der Digitalisierung durch Plattformen wie Uber, dass das bargeldlose Bezahlen Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit erschwert. Wegen der grossen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für schlecht qualifizierte Arbeitnehmer waren die Löhne für Taxifahrer lange vor Uber schlecht. Wenn Uber etwas gefährdet, dann sind es die Gewinne des Taxikartells.

Ein Verbot hilft den Taxifahrern kaum und schadet den Kunden. Es wäre deshalb die dümmste Antwort auf die Digitalisierung. Das bedeutet nicht, dass es keine Regulierung braucht. Aber statt zu verbieten, sollten wir die Regeln der digitalen Welt anpassen. Die Wirtschaftsprofessorin Monika Bütler schlägt vor, die Entschä­digung von Arbeitsleistungen und die Sozialbeiträge über ein digi­tales Tool abzuwickeln, statt da­rüber zu streiten, ob ein Uber-­Fahrer oder ein Journalist selbstständig oder angestellt ist.

Statt zu verbieten, muss der Staat für Wettbewerb sorgen, damit Uber nicht zum neuen Monopolisten wird. «Nutzen, statt zu besitzen», die Grundidee des ­«Sharing» wäre ein ideales Feld für Genossenschaften. Statt für ein Verbot von Uber sollte sich die Taxifahrergewerkschaft für eine eigene Konkurrenz-Plattform engagieren.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 26. Juni 2016

Einen Gang runterschalten

8.2.2016 / Armin Müller

Die Technik wird den Menschen unterstützen, nicht überflüssig machen – ein Kommentar zum selbstfahrenden Auto

Das selbstfahrende Auto wird nie müde, trinkt keinen Alkohol, fährt nicht bei Rot über die Kreuzung und lässt sich nicht vom Beifahrer ablenken. Über 90 Prozent der Verkehrsunfälle gehen auf menschliches Versagen zurück. Jedes Jahr sterben auf den Strassen der Welt mehr als 1,2 Millionen Menschen. Das selbstfahrende Auto soll diese Zahl dramatisch senken.

Google, Autohersteller und andere Technologieunternehmen treiben Forschung und Entwicklung im Eiltempo voran. Die Schweizer Post testet in Sitten zwei Minibusse, die in der Innenstadt Passagiere transportieren sollen. Voll automatisierte Autos könnten schon in zehn Jahren strassentauglich sein. Singapur oder chinesische Städte könnten die Pioniere sein, die ein System mit selbstfahrenden Autos als erste realisieren.

Bis es so weit ist, muss das autonome Auto allerdings noch einige Schikanen umfahren. Und die Gesellschaft muss noch einige schwierige Fragen beantworten, die bisher noch kaum gestellt, geschweige denn debattiert wurden. Denn gänzlich unfallfrei wird selbst das Google-Auto nie fahren. Auch wenn mit dem sich selbst überschätzenden Menschen der grösste Risikofaktor eliminiert werden sollte, wird es auf den Strassen hie und da zum Crash kommen. Wie die bisherigen Tests zeigen, ist der Roboter zwar im Regelfall, aber nicht in jeder Situation der bessere Fahrer.

Soll das Auto dem Kindergärtler ausweichen oder dem Rentnerpaar?

Mit der Software im Fahrzeug sind auch ethische Dilemmas programmiert. Soll das Auto, wenn der Unfall trotz Vollbremsung nicht mehr zu vermeiden ist, den Fussgänger überfahren oder gegen den entgegenkommenden Lastwagen steuern und damit die Insassen umbringen? Soll es dem Kindergärtler ausweichen oder dem Rentnerpaar?

Und wer entscheidet, wie der entsprechende Algorithmus programmiert wird? Der Autohersteller, der Fahrer, ein Ethikrat, das Strassenverkehrsamt, die Haftpflichtversicherung? Das sind Fragen, die wir diskutieren müssten, bevor die Google-Autos in Massen auf die Strassen losgelassen werden.

Die Angst, dass Roboter uns das Steuer aus der Hand nehmen und überflüssig machen, ist weit verbreitet. Die Pessimisten und Mahner vor den negativen Folgen des Fortschritts finden leicht Gehör in einer verunsicherten Welt. Aber die Geschichte hat sie regelmässig widerlegt.

Computer und Automatisierung haben den Menschen nicht aus dem Cockpit verdrängt

Der Mensch wird nicht einfach überflüssig. In der Luft- und Raumfahrt oder in der Unterwasser-Erforschung wurden aus Sicherheitsgründen immer wieder menschenfreie, vollautomatisierte Systeme propagiert – aber nie wirklich realisiert, wie der MIT-Professor David Mindell in seinem neuen Buch zeigt.

Computer und Automatisierung haben den Menschen nicht aus dem Cockpit verdrängt oder vom Fahrersitz gestossen, sondern sie haben ihm sehr viel mehr Kontrolle verschafft. Diese Mensch-Maschine-Kombination hat die Sicherheit etwa in der Luftfahrt dramatisch erhöht.

Die Technik wird Autos in Zukunft sehr viel sicherer und die Aufgabe des Fahrers sehr viel einfacher machen. Aber nicht mit dem autonomen Roboter, sondern mit zuverlässigen, transparenten, sicheren Systemen, mit denen der Mensch interagiert und so seine Bewegungen besser steuern kann. Die «schöne neue Welt» des Google-Autos ist nicht die Zukunft.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 7. Februar 2016