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Konsumenten könnten von Affen lernen

Gesund = teuer: Diese Vorstellung ist tief in unserem  Konsumentenhirn verankert. Wir glauben daran und kaufen entsprechend ein, auch dort, wo es keinerlei Zusammenhang zwischen Preis und Gesundheit gibt, wie drei US-Forscher kürzlich mit einer Serie von Experimenten nachweisen konnten. Verleitet ein höherer Preis zur Annahme,  etwas sei gesünder? Oder führen Hinweise auf gesundheitliche  Aspekte zur Erwartung, der Preis müsse höher sein?

Offenbar funktioniert das Vorurteil in beide Richtungen. So schlossen Testpersonen vom Preis eines Getreideriegels automatisch auf seine gesundheitliche Bekömmlichkeit: je teurer, desto gesünder. Umgekehrt erwarteten sie bei gesund klingenden Inhaltsangaben automatisch einen höheren Preis. Wenn sie für eine Kollegin ein «gesundes» Sandwich mitbringen sollten, wählten sie von zwei ähnlichen Angeboten immer das teurere, unabhängig von den Inhaltsstoffen. Produkte mit als gesund deklarierten Inhalten wurden von den Testpersonen skeptischer beurteilt, wenn sie billiger waren als normale Produkte: Sie trauten der Sache nicht.

Höhere Preise interpretieren wir gerne als positives Signal. Deshalb verwechseln wir leicht Preis und Qualität. Laien wählen selbst bei inhaltlich identischen Produkten wie Salz, Zucker, Backpulver oder Butter tendenziell das  teurere Markenprodukt, während  Experten, zum Beispiel Küchenchefs, die billigere Eigenmarke bevorzugen, (wie diese Studie zeigt). Das machen sich Händler und Marketingleute zunutze. Wer sich nicht auskennt, zahlt einen Preis dafür.

Das ist eine speziell menschliche Eigenschaft, wie Forscher in Experimenten mit Kapuzineraffen zeigten. Die Tiere verstehen Preisunterschiede und den Mechanismus von Kauf und Tausch. Aber unsere Eigenheit, eine Ware nach ihrem Preis zu beurteilen, fehlt ihnen. Das erfordere offenbar «besondere kognitive Fähigkeiten», stellen die Forscher fest. Man könnte das auch anders interpretieren: Die Affen scheinen in dieser Beziehung einfach intelligenter zu sein.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 22. Januar 2017

Erfolglose Kunden sind treue Kunden

10.1.2016 / Armin Müller

Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single über Parship, wie die Datingbörse stolz verkündet. Ist das viel? Eine einfache Rechnung entlarvt die Erfolgsmeldung als Anti-Werbung. Bei 5 Millionen Mitgliedern in Deutschland beträgt die Wahrscheinlichkeit, in einem Jahr den Traumpartner zu finden, nicht mal 2 Prozent, wie Wissenschaftler um den Risikoexperten Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in ihrer «Unstatistik des Monats» berechnet haben.

Kunden enttäuschen ist ein tolles Geschäftsmodell, wenn die Kunden etwas zu sehr wollen. Denn erfolglose Kunden sind treue Kunden. Das weiss auch Swisslos, die flächendeckend damit wirbt, wie das Zahlenlotto Millionäre macht. Die Chance auf einen Volltreffer ist bei zwei Tipps für 5 Franken jedoch verschwindend gering: Sie beträgt 0,0000064 Prozent oder 2 zu 31,5 Millionen. Ökonomen bezeichnen Lotto deshalb als «Idiotensteuer».

Unseren Rechenkünsten verdanken wir es wohl eher nicht, dass die Schweiz zu den reichsten Ländern der Welt zählt. In einem kürzlich durchgeführten Vergleich der Finanzkompetenzen schnitten wir jedenfalls bei der Beantwortung einfacher Fragen zu Zins und Inflation mässig ab, schlechter als die skandinavischen Länder, Israel, Kanada, Grossbritannien oder Deutschland.

Wahrscheinlichkeiten und Risiken kann der Mensch grundsätzlich schlecht einschätzen. Das zeigt sich regelmässig, wenn alarmistische Meldungen über Gesundheitsrisiken die Runde machen. Gerd Gigerenzer fordert deshalb einen Statistikunterricht in der Schule. 

Liebe und Glück werden sich damit zwar nicht erzwingen lassen. Aber Statistik hilft beim Durchschauen von leeren Werbeversprechen, spart Geld und verhilft zu mehr Gelassenheit.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 10. Januar 2016