Staat

Postauto-Skandal bietet Chance für Korrekturen bei Staatsbetrieben – und Gratiswerbung für Massenmörder

Nachdem in den 1990er-Jahren verschiedene Bundesbetriebe ausgelagert worden waren, legte der Bundesrat 2006 mit dem Bericht zur Corporate Governance die Grundlage für seine heutige Politik als Eigentümer von Post, SBB, Swisscom und anderen Staatsbetrieben. Da wurde vieles richtig gemacht. Es wurden moderne Prinzipien und Richtlinien erarbeitet, wie das Volkseigentum an den staatseigenen Betrieben zu schützen und zu entwickeln ist, wie die Unternehmen gesteuert und kontrolliert werden sollen.

Der Postauto-Skandal zeigt, dass die Arbeit nie abgeschlossen ist. Die Steuerung und Kontrolle von Staatsbetrieben ist nicht einfacher geworden. Die Zuweisung der Verantwortung wurde nicht überall überzeugend geregelt. Die Mehrfachrolle als Eigentümer, Regulator und Auftraggeber provoziert Zielund Interessenkonflikte. Wie diese gelöst werden können, zeigen die kürzlich überarbeiteten OECD-Leitsätze zur Corporate Governance in staatseigenen Unternehmen. Hier gilt es nun nachzubessern. Es ist deshalb richtig, dass das Parlament das Thema in der kommenden Session auf die Traktandenliste nimmt.

Und nun zu etwas völlig anderem:

Nach einer Häufung von Terroranschlägen und Amokläufen im Sommer 2016 entschieden wir uns bei SonntagsZeitung und «Tages-Anzeiger», keine Bilder von Attentätern mehr zu publizieren und ihre Namen abzukürzen. Es ging darum, den Tätern – wie etwa jenem von Florida am Mittwoch – keine Bühne zu geben und womöglich Nachahmer zu animieren. Wir waren uns bewusst, dass unser Einfluss sehr begrenzt ist. Auch ohne uns werden Namen und Bilder weiterhin im Netz zu sehen sein. Die Reaktion der Leserinnen und Leser war mehrheitlich positiv, jene der Kollegen und Medienkritiker negativ, unter anderem weil im Web in Einzelfällen Namen in Texten von Agenturen durchrutschten.

Unterstützung erfährt unsere Haltung nun von Adam Lankford, Professor für Kriminalistik und Strafrecht an der Universität von Alabama. In einer kürzlich veröffentlichten Studie vergleicht er die Medienpräsenz von Massenmördern mit Stars aus Sport, Film und Fernsehen. Einige Täter erhielten mehr Medienpräsenz als die berühmtesten US-Stars, darunter Kim Kardashian, Brad Pitt, Tom Cruise, Johnny Depp und Jennifer Aniston. «Diese Medienaufmerksamkeit stellt Gratiswerbung dar für Massenmörder, was die Wahrscheinlichkeit von Nachahmungstätern erhöht», stellt Lankford fest. In einem von 149 Experten unterzeichneten öffentlichen Brief fordert er die Medien auf, zwar weiterhin über die Verbrechen zu berichten, aber auf Namen und Fotos der Täter zu verzichten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 18. Februar 2018

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Gratisschulden sind nicht gratis

21.8.2016 / Armin Müller

Städte und Kantone können Schulden machen ohne dafür Zins zu zahlen. Zu verdanken ist das ihrer Kreditwürdigkeit und den Negativzinsen, welche die Nationalbank im Januar 2015 eingeführt hat.

Wo es etwas gratis gibt, muss man zugreifen. Das finden jedenfalls manche Politiker und fordern, durch zusätzliche Verschuldung Infrastrukturausgaben zu finanzieren. Das könnte bei hoher Arbeitslosigkeit Sinn machen, aber nicht in der aktuellen Situation der Schweiz. Für welche Infrastrukturen sich neue Schulden lohnen würden, ist ebenso wenig ersichtlich.

SP-Nationalrätin Jacqueline Badran fordert, die Stadt Zürich solle sich Immobilien oder Wohnland kaufen. Häuser würden eine jährliche Rendite von etwa zwei Prozent abwerfen. Zudem steige der Bodenwert. «Das ist ein tolles Geschäft. Jeder Kapitalist würde so handeln», sagte sie dem «Tages-Anzeiger»Dass eben nicht jeder so handelt, sollte misstrauisch machen. Immobilien- und Bodenpreise in Schweizer Städten sind hoch. Hohe Preise bedeuten aber tiefe Renditen. Und gute Renditen in der Vergangenheit sind keine Garantie für die Zukunft. Das mussten Hauskäufer immer wieder erfahren.

Aber Schulden bleiben Schulden, sie müssen zurückgezahlt werden. Dass die dafür nötige Besteuerung hohe Kosten verursacht, übersehen Politiker gerne. Noch häufiger aber ignorieren sie, dass einmal ausgegebenes Geld nicht mehr anderweitig verwendet werden kann. Die Ressourcen, die sich der Staat mit dem geliehenen Geld kauft, stehen Privaten nicht mehr zur Verfügung. Die Opportunitätskosten entsprechen der Rendite, welche Private damit hätten realisieren können. Sie sind sicher nicht Null.

Es ist immer besondere Vorsicht geboten, wenn jemand einen sicheren Gewinn verspricht. Denn nichts ist umsonst. Nicht mal Gratisschulden.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 21. August 2016