Wettbewerb

Keine Angst vor dem Wettbewerb bei der Paketpost

Der Onlinehandel boomt, und die Pöstler liefern immer mehr Pakete frei Haus. Das lockt Konkurrenz an. DHL, eine Tochter der Deutschen Post, will in der Schweiz stark ausbauen. Der Chef des Paketversands bei der Schweizerischen Post warnt, die höheren Löhne für seine Pöstler gerieten deshalb unter Druck.

Das ist ein interessantes Argument, auch Gewerkschafter benutzen es gerne. Aber ergibt es auch Sinn? Ich wage das zu bezweifeln. Wenn ein Beinahe-Monopolist Konkurrenz erhält, sinken in der Regel die Gewinnmargen. Das kann sich auf die Löhne auswirken, muss aber nicht. Besonders in einem zweistellig wachsenden Markt. DHL muss erst einmal sehr viel Personal einstellen, um überhaupt konkurrenzfähig zu werden. Wo nimmt sie wohl all die Päckliboten her? Die Arbeitslosigkeit ist so tief wie seit zehn Jahren nicht mehr. Und mit ihrem Konzept benötigt DHL gute Leute, nicht Anfänger. Sie wird also Pöstler von der Post abwerben. Mit Dumpinglöhnen geht das nicht. Der Lohndruck wirkt in die entgegengesetzte Richtung.

Das Argument der sinkenden Löhne wurde vor zehn Jahren schon beim Markteintritt von Aldi und Lidl bemüht. Auch hier kam alles anders. Die Discounter mussten geschultes Personal bei Migros und Coop abwerben. Die Folge: Die Mindestlöhne im Detailhandel sind kontinuierlich gestiegen. Aldi und Lidl zahlen dem Verkaufspersonal nicht etwa die tiefsten, sondern die höchsten Mindestlöhne. Sie zahlen deutlich besser als das Duopol Migros und Coop, wie die Gewerkschaft Syna feststellen musste.

Deshalb meine Prognose: Nicht nur das Personal, auch die Kunden werden von der neuen Konkurrenz in der Paketzustellung profitieren. Der Wettbewerb macht den Service schneller, bequemer und billiger. Leiden werden wohl die Margen der Post. Allerdings hat sie möglicherweise nicht nur ein Kostenproblem, sondern auch ein Qualitätsproblem.

Sorgen bald Drohnen und Roboter für Lohndruck, oder nehmen sie den Pöstlern gar den Job weg? Auch hier sehe ich keinen Grund für Pessimismus. Die Post experimentiert seit längerem damit. Die Tests seien erfolgreich, heisst es. Das sorgt zuverlässig für Schlagzeilen. Aber Drohnen und Roboter werden Päcklipöstler noch sehr lange nicht ersetzen können. Und selbst wenn: Die Post liefert heute etwa eine halbe Million Pakete pro Tag. Man stelle sich den Luftkrieg und die verstopften Trottoirs vor. Und wenn es schneit – holen wir dann das Päckli wieder selber auf der Post ab?

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 16. September 2018

Werbung

Die Rekordbusse gegen Google ist bloss Symbolpolitik

Der Entscheid der EU-Wettbewerbskommission wird als Schlag gegen den Internetgiganten gefeiert, dabei bringt er weder mehr Wettbewerb noch nützt er den Konsumenten.

Die EU hat Google zu einer Rekordbusse von 4,3 Milliarden Euro verurteilt. Der Internetgigant missbrauche mit Android seine Marktmacht bei Betriebssystemen für Smartphones. Margrethe Vestager, die EU-Wettbewerbskommissarin, wird gefeiert: Die mutige Dänin habe dem US-Riesen einen schweren Schlag versetzt.

Heldengeschichten kommen immer gut an. Die Realität beeindruckt weniger. Die Busse entspricht gerade mal 4 Prozent von Googles liquiden Mitteln, die Aktie hat denn auch bloss 1 Prozent verloren. Die Busse ist einfach eine zusätzliche Steuer, am Wettbewerb ändert sie nichts.

Die Gerätehersteller können Android gratis nutzen und ihre Systeme darauf aufbauen. Der Smartphone-Besitzer kann deren Konkurrenz-Apps als Standard festlegen, wenn er es wünscht. Das geht bei Apples iPhone nicht. Aber die EU definiert den Markt so eng, dass Apples iOS kein Konkurrent von Android ist. Der Konsument weiss es besser, er hat die Wahl.

Google muss sich mit Geräteherstellern und App-Entwicklern arrangieren, damit Androidgeräte gegen das iPhone bestehen können. Die EU scheint anzunehmen, Google könne weiter in Android investieren und Trittbrettfahrer zulassen. Das tut kein Unternehmen. Die Alternativen wären, die Gerätehersteller für Android bezahlen zu lassen, zu einem geschlossenen System wie bei Apple zu wechseln oder nicht mehr in Android zu investieren. Aber das würde Konsumenten, Geräteherstellern und App-Entwicklern nichts bringen – ausser höheren Kosten.

Die Milliardenbusse ist bloss Symbolpolitik. Sie tut Google nicht wirklich weh, lässt Europa stark erscheinen und erhöht Vestagers Chance auf die Nachfolge Jean-Claude Junckers als Präsidentin der Europäischen Kommission. Aber sie trägt nicht zu mehr Wettbewerb bei – und den Konsumenten hilft sie schon gar nicht.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 22. Juli 2018

Wie der Handel im Internet die Preise drückt

Die Verschwörungstheorie ist nicht totzukriegen: Die Behörden manipulieren den Konsumentenpreisindex, sodass die offizielle Teuerung die wahre Inflation immer unterschätzt. Bis in die frühen 1990er-Jahre waren in der Schweiz Inflationsraten von vier und mehr Prozent üblich. In den letzten zehn Jahren lag die Teuerung dagegen mehrheitlich sogar unter null, die Preise sanken also.

Mit einer Verschwörung hat das nichts zu tun. Billigere und leistungsfähigere neue Produkte kamen auf den Markt, der starke Franken verbilligte die Importe, mehr Wettbewerb verhinderte, dass die Anbieter ihre Preise erhöhen konnten. Das Internet trägt seinen Teil dazu bei. Neue Anbieter können damit einfacher in einen Markt eintreten. Sie haben tiefere Kosten, weil sie auf Ladengeschäfte an teuren Standorten verzichten können. Die Konsumenten können online sehr viel leichter die Preise vergleichen, der günstigere Anbieter ist stets nur einen Klick entfernt. Das erschwert Preiserhöhungen und bevorteilt Billiganbieter.

Eine neue Untersuchung der Ökonomen Austan Goolsbee (Chicago) und Peter Klenow (Stanford) zeigt nun, wie stark das Internet die Preise beeinflusst. Und sie liefert einen Beleg dafür, dass die offizielle Statistik die Inflation nicht unter-, sondern deutlich überschätzt. Die Forscher werteten Preise und Mengen von monatlich über zwei Millionen Onlinekäufen in den USA zwischen 2014 und 2017 aus. Bei den Onlineartikeln – vor allem Lebensmittel, Getränke, Haushaltsartikel, Spielwaren, Elektronik, Möbel und Kleider – lag die Inflation 1,3 Prozent niedriger, verglichen mit der offiziell ausgewiesenen Teuerung in den gleichen Produktkategorien, die über Käufe in stationären Läden gemessen wird.

Die Forscher stellten auch fest, dass neue oder modernisierte Produkte im Internet in sehr hohem Rhythmus auf den Markt kommen. 44 Prozent der beobachteten Onlineprodukte waren im Vorjahr noch nicht auf dem Markt gewesen. Und zwar ohne Berücksichtigung der Kleider, bei denen die Produkterneuerung entsprechend den modischen Trends häufiger erfolgt. Auf der anderen Seite verschwanden aber auch mehr als 20 Prozent der Produkte von einem aufs nächste Jahr aus den Onlineshops.

Das rasche Auftauchen von neuen, verbesserten Produkten hat zur Folge, dass die wahre Teuerung noch zusätzlich überschätzt wird. Bereinigt um die neuen Produkte liegt die Onlineinflation mehr als 3 Prozent tiefer als die offizielle Teuerung.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 15. Juli 2018

Nivea in die Augen geschmiert

Die Volksinitiative «Stopp der Hochpreisinsel – für faire Preise» kommt zustande, wie der «Tages-Anzeiger» am Donnerstag vermeldete. Die Initiative will «missbräuchliche Schweiz-Zuschläge» für im Ausland hergestellte Produkte unterbinden und so für günstigere Preise sorgen. Das klingt gut. Im Visier haben die Konsumentenschützer, Wirte und Gewerbler vor allem ausländische Markenhersteller wie Beiersdorf, die Nivea hierzulande teurer verkauft als in Deutschland. Die Initiative will sie zwingen, zum tieferen ausländischen Preis in die Schweiz zu liefern.

Was auffällt: Die Initianten konzentrieren sich damit ausgerechnet auf die Bereiche, die den geringsten Preisunterschied zum Ausland aufweisen. Dauerhafte Konsumgüter sind nur 2 Prozent teurer als im Durchschnitt der Euroländer, Bekleidung und Schuhe ebenso wie Maschinen und Geräte 11 Prozent, alle Konsumgüter 20 Prozent. Im Haushaltsbudget der Konsumenten machen diese Ausgaben immer weniger aus, weil die Preise seit Jahren stagnieren oder sinken. Zudem findet der Konsument Dutzende von Konkurrenzprodukten zu Nivea.

Unberührt von der Initiative bleiben dagegen ausgerechnet jene Bereiche, die das Haushaltsbudget am stärksten belasten, wo die Preise dauernd steigen und wo sie extrem viel höher sind als im Euroland: Lebensmittel (51 Prozent), Fleisch (105 Prozent), staatliche Dienstleistungen (81 Prozent), Wohnen (66 Prozent), Gesundheit (78 Prozent), Spitäler (123 Prozent), Bildung (139 Prozent) und persönliche Dienstleistungen (115 Prozent).

Das sind alles Märkte, wo wenig Wettbewerb herrscht, der Staat bestimmt (Bildung, Gesundheit, Energie, Verkehr, Landwirtschaft) oder wo die hohen Löhne den Unterschied zum Ausland ausmachen (nicht handelbare Dienstleistungen vom Coiffeur bis zum Berater).

Die Initiative «Stopp der Hochpreisinsel» verspricht zu viel. Sie bekämpft nicht die Ursachen, nur Symptome. Sie schmiert den Konsumenten Nivea in die Augen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 1. Oktober 2017

So schnell schwindet das Geld beim Wechseln

Warnung: Dieser Beitrag kann die Vorfreude auf Ihre nächste Reise gefährden. Wer sich hierzulande mit ein paar Banknoten für das Ferienland ausrüsten will, ärgert sich über schlechte Wechselkurse und saftige Gebühren. Zwar gibt es Unterschiede zwischen den Anbietern, aber sie sind nicht gross. Das günstigste Angebot wechselt je nach Tag und Währung. Wer nicht bei der Hausbank wechselt, zahlt zudem oft eine Fixgebühr von 5 Franken. Die Spanne von An- und Verkaufspreis zum Devisenmittelkurs beträgt beim Euro um die 5, beim Dollar um die 8 und beim britischen Pfund über 10 Prozent, bei seltener gehandelten Währungen wie dem brasilianischen Real über 25 und beim ägyptischen Pfund gar über 50 Prozent.

Den Banken entstehen Kosten durch Beschaffung, Transport, Vorratshaltung und die Absicherung gegen Wertveränderungen. Trotzdem erscheinen die Margen hoch. Würde man sein Geld hin und her wechseln, wäre man es schnell los. Wie schnell, zeigt ein kleines Rechenbeispiel (aufgrund der Notenkurse der UBS vom 28. Juli): 100 Franken könnte man 87-mal in Euro und zurücktauschen, danach sind nur noch Rappenbeträge übrig. Beim Dollar ist nach 59 Wechseln Feierabend, beim Pfund nach 38 und beim brasilianischen Real nach 18-mal. Beim ägyptischen Pfund bleibt von 100 Franken schon nach achtmaligem Wechseln nur 1 Franken übrig.

Unter dem Bankenkartell, das bis Ende 1991 die Notenkurse festlegte, war die Spanne zwischen An- und Verkauf viel tiefer. Das britische Pfund beispielsweise hätte man damals mehr als doppelt so oft hin und her wechseln können, bis die Bank die 100 Franken eingesackt hätte. Offenbar spielt der Wettbewerb nicht.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 6. August 2017

Genossenschafter ans Taxi-Steuer

26.6.2016 / Armin Müller

Ein Verbot des Fahrdienstes Uber wäre die dümmste Antwort auf die Digitalisierung

Wenn Ihnen am Dienstag Autocorsos in Basel, Genf, Lausanne oder Zürich den Weg versperren, fluchen Sie nicht über Fussballfans. Es sind Taxifahrer, die gegen den Fahrdienst Uber demonstrieren. Sie fordern ein landesweites Verbot. Denn Uber stifte zu Schwarzarbeit an und zahle ­Dumpinglöhne.

Nun ist das Taxigewerbe ein staatlich sanktioniertes Kartell und bisher nicht durch Kundenfreundlichkeit aufgefallen. Wie in jedem Kartell dient die Regulierung dazu, die Konkurrenz vom Markt fern- und die Gewinne hochzuhalten. Das Taxigewerbe gilt als klassisches Feld für Schwarzarbeit. Es ist ein Vorteil der Digitalisierung durch Plattformen wie Uber, dass das bargeldlose Bezahlen Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit erschwert. Wegen der grossen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für schlecht qualifizierte Arbeitnehmer waren die Löhne für Taxifahrer lange vor Uber schlecht. Wenn Uber etwas gefährdet, dann sind es die Gewinne des Taxikartells.

Ein Verbot hilft den Taxifahrern kaum und schadet den Kunden. Es wäre deshalb die dümmste Antwort auf die Digitalisierung. Das bedeutet nicht, dass es keine Regulierung braucht. Aber statt zu verbieten, sollten wir die Regeln der digitalen Welt anpassen. Die Wirtschaftsprofessorin Monika Bütler schlägt vor, die Entschä­digung von Arbeitsleistungen und die Sozialbeiträge über ein digi­tales Tool abzuwickeln, statt da­rüber zu streiten, ob ein Uber-­Fahrer oder ein Journalist selbstständig oder angestellt ist.

Statt zu verbieten, muss der Staat für Wettbewerb sorgen, damit Uber nicht zum neuen Monopolisten wird. «Nutzen, statt zu besitzen», die Grundidee des ­«Sharing» wäre ein ideales Feld für Genossenschaften. Statt für ein Verbot von Uber sollte sich die Taxifahrergewerkschaft für eine eigene Konkurrenz-Plattform engagieren.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 26. Juni 2016

Wettbewerb schützt den Konsumenten

21.3.2016 / Armin Müller

719 Franken kostet das neueste Objekt der Begierde in der Smartphone-Welt, das Samsung Galaxy S7, das jetzt in die Läden kommt. Rund 10 Millionen Stück will der koreanische Hersteller allein in den ersten drei Monaten verkaufen. 2015 wurden weltweit mehr als 1,4 Milliarden Smartphones verkauft, Samsung hält über 20 Prozent am Boom-Markt.

Das muss ein Bombengeschäft sein – oder nicht? Experten des Analyse-Unternehmens IHS in Colorado haben das Handy auseinandergenommen und nachgerechnet, was die Einzelteile kosten. Die reinen Produktionskosten betragen zwar nur circa 260 Franken. Die teuerste Komponente ist der Prozessor mit 62 Franken. Display und Touchscreen kosten 55, der Speicher 25 und die Kamera 13.70 Franken. Die Montage aller Teile schlägt dann noch mit 5 Franken zu Buche. Nicht eingerechnet sind die Kosten für Entwicklung, Software, Marketing und Vertrieb.

Und dann sieht es plötzlich nicht mehr so toll aus. Im Schnitt macht Samsung nämlich nur gut 23 Franken Gewinn pro Smartphone, wie der Technologie-Blogger Charles Arthur nachgerechnet hat. Zwar dürfte der Gewinn beim Flaggschiff S7 klar höher sein als bei den billigeren Geräten. Das vermutete Bombengeschäft ist es dennoch nicht.

Dass die Geräte immer besser und billiger werden und die Gewinne der Hersteller trotzdem sinken, haben wir dem besten Konsumentenschützer der Welt zu verdanken: dem Wettbewerb. Rund zwei Milliarden Menschen, immer mehr auch in Entwicklungsländern, können sich ein Smartphone leisten und damit auf das Wissen der Welt zugreifen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 20. März .2016