Tages-Anzeiger

Wo Trump recht hat, hat er recht

Es ist verständlich, dass die USA gegen unfaire Handelspraktiken zurückschlagen. Ob Strafzölle das richtige Mittel sind, ist allerdings fraglich.

Donald Trump schickt seinem Auftritt am WEF eine Grussbotschaft voraus, die zu ihm passt. Die US-Regierung erlässt Zölle auf Importe von Solarzellen und Waschmaschinen. Es ist ein deutliches Signal an die in Davos versammelte Globalisierungselite. Und eine Drohung, dass da noch mehr kommen könnte. In Davos glauben manche, Trump mache bloss Lärm, um seine Wähler zu beeindrucken. Doch es steckt mehr dahinter. Trump glaubt, was er sagt: Amerika muss endlich gegen unfaire Praktiken zurückschlagen. Es ist eine der wenigen Positionen, die er seit 30 Jahren unverändert vertritt.

Und wo Trump recht hat, hat er recht. Die Handelspartner der USA haben dem Präsidenten reichlich Grund für seine Klagen gegeben. Die protektionistischen Massnahmen nahmen in den letzten Jahren stark zu. Der grösste Sünder ist ausgerechnet die G-20, die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, die sich zur Förderung des Freihandels verpflichteten.

Der chinesische Präsident Xi Jinping hat sich vor einem Jahr in Davos als Verfechter der Globalisierung und Verteidiger des Freihandels aufgespielt. Getan hat er nichts. Denn China steht zu Recht im Fokus von Trumps Kritik. Das Land setzt zwar weniger als früher auf Zölle, Importquoten, technische Handelshemmnisse und eine schwache Währung. Das bevorzugte Mittel sind heute Exportsubventionen, zum Beispiel bei Solarzellen, um chinesischen Unternehmen unfaire Vorteile zu verschaffen. Andere Länder machen es China nach.

Dass Trump dagegen vorgeht, ist richtig. Das Problem ist die Wahl der Mittel. Trump wäre nicht Trump, wenn er den Konflikt innerhalb der Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zu lösen versuchte. Er sucht den Sieg über den Kampf. Aber mit Zöllen schadet er nicht nur den amerikanischen Kunden. Seine einseitigen Massnahmen werden Gegenreaktionen provozieren. China wird Zug um Zug kontern. Und Konflikte, bei denen beide Seiten Stärke demonstrieren wollen, eskalieren nur allzu leicht. Das wäre ein fataler Schlag für eine Weltwirtschaft, die sich erholt und endlich wieder richtig wächst.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Tages-Anzeiger vom 24. Januar 2018

Soll man die AHV-Reform annehmen?

 

Am 24. September stimmen wir über die Altersvorsorge 2020 ab. Für manche ist sie die dringend nötige Korrektur – für andere nur die Verschiebung des Problems.

Arthur Rutishauser sagt: Ja

Ich sage: Nein.

20 Jahre nach der letzten Reform und nach zwei gescheiterten Anläufen stimmen wir am 24. September über die Altersvorsorge 2020 ab. Die aktuelle Reform sollte das Rentenniveau sichern, die AHV-Finanzen ins Gleichgewicht bringen und die finanzielle Situation der Pensionskassen verbessern. Gemessen an diesen Zielen, ist der Begriff «Reform» zu hoch gegriffen.

Im Wesentlichen verschiebt die Vorlage die Probleme in die Zukunft. Das Rentenniveau bleibt für die heutigen Rentner und für die Übergangsgeneration mit Jahrgang 1973 und älter zwar erhalten. Aber die Kosten werden auf die Jüngeren abgeschoben. Sie werden bis zur Pension ein Vielfaches ihrer eigenen Rente finanzieren müssen.

Das Ziel, die AHV-Finanzen ins Gleichgewicht zu bringen, wird verfehlt. Obschon die Stimmbevölkerung letztes Jahr einen AHV-Ausbau deutlich abgelehnt hat, soll diese durch die 70 Franken pro Monat mit der Giesskanne verteilt werden. Jenen mit den tiefsten Einkommen bringt das nichts, die Gutverdienenden brauchen es nicht. Schon 2027 rechnet das Bundesamt für Sozialversicherungen bei Annahme der Vorlage wieder mit einem negativen Umlageergebnis in Milliardenhöhe. Und das unter der Annahme einer jährlichen Nettozuwanderung von 60 000 Personen und einem Lohnwachstum von 1,9 Prozent pro Jahr. Beides erscheint recht optimistisch.

Die Senkung des Umwandlungssatzes in der zweiten Säule ist dringend. Aber auch hier löst die Vorlage das Problem nicht, sondern bremst nur das Tempo, mit dem die Pensionskassen in die finanzielle Schieflage abrutschen. Auch mit dem gesenkten Umwandlungssatz werden sich die Rentner in der zweiten Säule nicht selbst finanzieren können, sie müssen weiterhin von den Erwerbstätigen quersubventioniert werden. Diese Umverteilung wird durch die Vorlage nicht beseitigt, nur etwas reduziert. Die Lücken bei den Jüngeren werden dafür immer grösser.

Die Renten sind abhängig von Lebenserwartung und Kapitalrendite, beide kann die Politik nicht beeinflussen. Die gesetzliche Fixierung des Umwandlungssatzes gleicht dem Vorhaben, die Fallgeschwindigkeit gesetzlich festzulegen: Wir schlagen deshalb in der Schweiz nicht weniger hart auf dem Boden auf, wenn wir aus dem Fenster stürzen. Die Renten lassen sich letztlich nur sichern, wenn wir mehr einzahlen, die Leistungen senken oder das Rentenalter an die Lebenserwartung koppeln. Die aktuelle Vorlage beschränkt sich auf Beitrags- und Steuererhöhungen.

Auch eine schlechte Reform ist besser als gar keine Reform, sagen die Befürworter. Es ist ihr stärkstes Argument. Aber damit sollten wir uns nicht zufriedengeben.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Tages-Anzeiger vom 2. September 2017