Energie

Was man sieht und was man nicht sieht

Arbeitsplätze sind der Trumpf, der fast immer sticht. In politischen Auseinandersetzungen werden sie deshalb gerne und oft als Argument eingesetzt. Auch für die Energiestrategie 2050, über die wir am 21.Mai befinden. Sie sei «ein zutiefst patriotisches Projekt», sagt SP-Nationalrat Roger Nordmann. CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt spricht von einem «durch und durch schweizerischen Projekt», nach dem Motto «das Geld bleibt hier».

Statt es den Ölscheichs zu überweisen, geben wir es hier aus und schaffen Arbeitsplätze. So einfach ist das. Aber das Arbeitsplatzargument ist nicht zu Ende gedacht, das grüne Jobwunder ein Trugschluss. Natürlich schafft man mit Subventionen Arbeitsplätze in den betroffenen Branchen. Aber das ist nur das, was man sieht, die Spitze des Eisbergs. Was man nicht sofort sieht, sind die indirekten Neben- und Folgewirkungen auf die Gesamtwirtschaft. Nichtsdestotrotz sind diese sehr real. In der Landwirtschaft sind sie mittlerweile auch nicht mehr zu übersehen: hohe Preise und Kosten, tiefe Produktivität und Löhne.

Wohlstand beruht auf der Fähigkeit, möglichst viel Wert mit möglichst wenig Arbeitseinsatz zu schaffen. Hätte die Schweiz in der Vergangenheit auf «patriotische Projekte» statt auf Produktivität gesetzt, wäre sie heute nicht das Land mit den höchsten Löhnen und unzähligen Weltmarktführern. Das Geld wäre hier geblieben – wir hätten einfach viel weniger davon. Wir sind erfolgreich, weil wir exportieren, was wir gut können, und importieren, was wir selber nur schlecht oder teuer herstellen können. Wir importieren Öl für unsere Heizungen, weil wir viel produktiver im Pillendrehen sind als im Holzschlagen.

Arbeitskräfte und Kapital, die man mit den Subventionen in den Energiesektor locken will, sind heute in anderen, wettbewerbsfähigen Branchen aktiv, weil sie dort produktiver sind. Angesichts des Mangels an Fachkräften wird man sie dort abziehen oder im Ausland holen müssen. Es gibt sicher gute Argumente für die Energiestrategie 2050. Aber das Arbeitsplatzargument gehört definitiv nicht dazu.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 30. April 2017

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Vorbilder, die keine sind

1988 zeigte Bundesrat Adolf Ogi am Fernsehen, wie man energiesparend Eier kocht. Heute will der Bund die Bevölkerung mit einer 10 Millionen Franken teuren Kampagne zum Energiesparen bewegen und setzt dazu ausgerechnet Prominente als Vorbilder ein, deren Energieverbrauch denjenigen eines Durchschnittskonsumenten um ein Mehrfaches übersteigt.

Energie Schweiz, eine Plattform, die vom Bundesamt für Energie betrieben wird, tourte mit der Energy Challenge 2016 durch die Schweiz und machte mit Wettbewerben, einer App und Konzerten Werbung fürs Energiesparen und für erneuerbare Energien. Im Zentrum standen «Energiebotschafter» wie der Rapper Stress, der Fussballprofi Xherdan Shaqiri oder der Autorennfahrer Sébastien Buemi. Sie luden «die Bevölkerung dazu ein, auf spielerische Weise Energie zu erleben und zu sparen».

Das ist etwa so, wie wenn Donald Trump dazu einladen würde, «auf spielerische Weise» politische Korrektheit zu üben. Oder wenn Viktor Giacobbos Kultfigur Harry Hasler als Vorbild für den Umgang mit Frauen durch die Schweiz touren würde. Oder wenn Brady Dougan, der ehemalige Chef der Credit Suisse und Schweizer Rekordhalter im Bonus-Kassieren, der Schweizer Arbeiterschaft Lohnzurückhaltung beibringen würde, «auf spielerische Weise» natürlich.

Aber so scheint erfolgreiche Volkserziehung heute zu funktionieren. «Die Energy Challenge 2016 hat ihre Ziele übertroffen», meldete Energie Schweiz kürzlich. Das ist das Schöne an solchen Kampagnen: Weil die Ziele diffus sind und sich die Wirkung der «Sensibilisierung der Bevölkerung» kaum messen lässt, übertreffen sie ihre Ziele immer.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 11. Dezember 2016