Propaganda für die Kuhmilch genügt nicht mehr

In den 1960er-Jahren erwachte der Widerstand. Vereinzelte Ärzte zweifelten am Nutzen der Pausenmilch, Erzieher wehrten sich gegen die Propaganda in der Schulstube, Umweltschützer kritisierten den Tetrapackabfall. Und vor allem verweigerten sich immer mehr Schüler dem Wundertrank.

Die Propagandazentrale, die heute Swissmilk heisst, versuchte den Widerstand mit Ovomaltine, Vanille- und Erdbeer-Shakes zu brechen. Doch Zucker in der Schule geht natürlich gar nicht mehr. Am letztjährigen «Tag der Pausenmilch» wurde wieder ausschliesslich «Milch nature» ausgeschenkt.

Gegen die Unlust auf Milch nützt auch die anhaltende Propaganda der Milchorganisationen wenig. Jährlich rund 20 Millionen Franken stecken Produzenten und Bund in die Absatzförderung von Milchprodukten. «Eine nachhaltige Wirkung in Bezug auf das Konsumverhalten ist nicht festzustellen», hielt der Bundesrat vor einem Jahr klipp und klar fest.

Milch ist längst kein Nationalgetränk mehr. Der Konsum geht stetig zurück. Noch nie tranken Schweizerinnen und Schweizer so wenig Milch wie im Jahr 2017. Veränderte Konsumgewohnheiten, Kritik an der Tierhaltung, Diäten und ein zunehmender Gesundheits- und Ernährungswahn machen es dem einstigen Nationalgetränk schwer. Manche Eltern nehmen gar lieber Fehlernährungen in Kauf, als ihren Kindern Kuhmilch zu geben.

Nun will die Milchwirtschaft mit einer neuen Werbestrategie das Image der Kuhmilch aufpolieren. Ob es gelingt, ist fraglich. Die nach wie vor auf Hochleistung ausgerichtete Milchwirtschaft entspricht bei weitem nicht dem Ideal einer nachhaltigen Produktion. Propaganda verfängt da längst nicht mehr.

Der nächste «Tag der Pausenmilch» findet am 13. November statt. Vielleicht wäre es nach 100 Jahren mal Zeit füretwas Neues.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 13. Mai 2018

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