Was rasch Abhilfe verspricht, führt auch schnell in die Sucht

US-Präsident Donald Trump hat am Donnerstag den nationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Die USA kämpfen seit einigen Jahren mit einem starken Anstieg der Drogentoten. ­Millionen Amerikaner sind süchtig nach Schmerzmitteln oder Heroin, sogenannten Opioiden. Das sind Varianten des Morphiums, neben Heroin vor allem Schmerzmittel wie Tramadol, Fentanyl oder Methadon.

Viele Abhängige sind über verschreibungspflichtige Schmerzmittel in die Sucht gerutscht. Seit den 90er-Jahren wurden die Medikamente relativ locker verschrieben. Täglich sterben in den USA im Schnitt 91 Menschen an einer ­Opioid-Überdosis. Es handle sich um «die schlimmste Drogenkrise in der amerikanischen Geschichte», sagte Trump am Donnerstag. Wie die Krise zu bekämpfen ist, scheint aber unklar. Auf Erfolge im enorm teuren und aufwendigen amerikanischen «Krieg gegen ­Drogen» wartet man seit Jahrzehnten vergeblich.

So weit sind wir in der Schweiz glücklicherweise nicht. Mediziner warnen jedoch auch hierzulande vor einem wachsenden Problem im Zusammenhang mit Drogen und Medikamenten.

Noch vor wenigen Jahren sorgten Jugendliche für Aufsehen, die sich zu Trinkgelagen versammelten. Die Jugend schien zu Binge-Trinkern zu werden, Politiker forderten Massnahmen. Jetzt stellen Statistiker und die Bier-, Wein- und Schnapsverkäufer fest, dass die Jungen weniger trinken als frühere Generationen (SonntagsZeitung). Verantwortlich soll das wachsende Gesundheitsbewusstsein sein. Sich zu betrinken, ist nicht mehr cool.

Dafür wächst der Medikamentenmissbrauch. Für jedes Problem scheint es heute ein Mittelchen zu geben, das rasche Abhilfe verspricht und relativ leicht zu kriegen ist. Dass es sich oft nur um Symptombekämpfung handelt, ist vielen zu wenig bewusst. Wie schnell aus einem Medikamentenkonsum eine Sucht werden kann, ebenfalls.

Gemäss Professor Thomas Krämer, Vize­direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich, konsumieren heute bereits rund zwei Millionen Schweizer starke Schmerzmittel, Schlaf- oder Beruhigungsmittel sowie Aufputschmittel wie Ritalin (SonntagsZeitung). Der Anstieg bei den Führerausweisentzügen nach Drogen- oder Medikamentenkonsum – sie haben letztes Jahr ein neues Rekordniveau erreicht – kann deshalb nicht wirklich überraschen. Eine eingeschränkte Fahrtauglichkeit fällt bei Medikamenten weniger auf als bei Alkohol. Nicht nur, weil man die Fahne nicht riecht.

Vielleicht wird es doch langsam Zeit, dass die selbstfahrenden Autos nicht nur zu reden geben, sondern auch zum Einsatz kommen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 29. Oktober 2017

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