«Die reichsten 320 Familien in Dänemark verstecken 60 Milliarden in Steueroasen», meldete das dänische Radio am Montag. Die Geschichte verbreitete sich blitzschnell im Land. Aber am Mittwoch nahm sie das Radio vom Netz und entschuldigte sich: Die Journalisten hatten aus einer neuen Studie unzulässige Schlussfolgerungen gezogen (hier).
Die Studie hat es trotzdem in sich (PDF hier). Die Ökonomen von drei Universitäten in Norwegen, Dänemark und den USA werteten Material aus zwei grossen Datenlecks der jüngeren Vergangenheit aus: die Kundenliste der HSBC Schweiz, die der Mitarbeiter Hervé Falciani gestohlen und den Steuerbehörden mehrerer Länder übergeben hatte, und die Panama Papers, eine riesige Dokumentensammlung zu den Briefkastenfirmen der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca, die ein internationales Journalistenkonsortium, darunter auch das Recherchedesk der SonntagsZeitung, vor einem Jahr enthüllt hatte (hier).
Um das Ausmass der Steuerhinterziehung zu schätzen, kombinierten die Forscher diese Daten mit amtlichen Einkommens- und Vermögensdaten sowie mit Ergebnissen von Steuerprüfungen und Steueramnestien aus Norwegen, Schweden und Dänemark. Ihre Erkenntnisse: Im Durchschnitt hinterziehen Skandinavier 2,9 Prozent der geschuldeten Steuern. Aber die reichsten 0,01 Prozent der Bevölkerung – das sind Haushalte mit mehr als 40 Millionen Franken Nettovermögen – hinterziehen massiv, nämlich rund 30 Prozent ihrer Steuern.
Damit werden die offiziellen Statistiken über die Vermögensungleichheit relativiert. Denn diese beruhen auf Steuerstatistiken. Weil aus lateinamerikanischen, asiatischen und vielen europäischen Ländern mehr Gelder in Steueroasen gehalten werden, vermuten die Forscher, dass das Ausmass der Steuerhinterziehung dort weit grösser ist als in dem von ihnen untersuchten Skandinavien. Für die Schweiz gibt es keine harten Daten. Grobe Schätzungen gehen davon aus, dass 10 bis 20 Prozent der Vermögen hinterzogen werden.
Der bekannteste Autor der Studie ist Gabriel Zucman, ein Schüler des Ungleichheitsforschers Thomas Piketty. In der Schweiz sorgte er 2013, mitten in der Auseinandersetzung um das Bankgeheimnis, für Aufsehen. Etwa 8 Prozent des weltweiten privaten Finanzvermögens – rund 5900 Milliarden Euro – würden in Steueroasen gehalten, drei Viertel davon seien nicht versteuert, schrieb er Ende 2013 in seinem Buch «Steueroasen. Wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird». Er forderte scharfe Sanktionen, zum Beispiel hohe Strafzölle gegen die Schweiz. Seine Berechnungen waren allerdings umstritten.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 4. Juni 2017