Es war kein grosser Wurf, den Alain Berset im November 2014 als Reform der Altersvorsorge präsentierte. Aber was das Parlament nun daraus gemacht hat, bleibt noch hinter dem Bundesratsvorschlag zurück. Man kann es nur als Murks bezeichnen.
Das Ziel der Reform war die Sanierung der AHV, die Stabilisierung der beruflichen Vorsorge und die Erhaltung des Rentenniveaus. Stattdessen wird nun die AHV ausgebaut, die Kosten werden auf künftige Generationen abgeschoben. Neu gibt es zwei Klassen von Rentnern. Wer nach der Reform pensioniert wird, erhält 70 Franken pro Monat mehr. Die heutigen Rentner kriegen: nichts. Wäre es wirklich um die soziale Frage gegangen, hätte man besser die Minimalrenten erhöht.
Die Babyboomer, die in Politik und Wirtschaft an den Schalthebeln sitzen, nie eine grosse Krise erlebt haben und für weniger Kinder sorgen mussten als ihre Elterngeneration, haben sich den Besitzstand gesichert. Nach uns die Sintflut.
Das ist keine Reform, es ist ein Hinausschieben des Problems. «Besser als nichts» ist das überzeugendste Argument für die Vorlage. Vielleicht genügt es, um die Volksabstimmung zu gewinnen.
Aber wir sollten uns nicht damit zufrieden geben. Die Schweiz hat es in den vergangenen Jahrzehnten geschafft, auch grosse Probleme zu lösen. Manchmal brauchte es etwas länger, aber unser demokratisches System zeichnete sich durch eine hohe Reformfähigkeit aus. Sie scheint heute gefährdet. Bei den für die Zukunft des Landes zentralen Themen Altersvorsorge, Unternehmenssteuern, Gesundheitswesen oder Energie droht der Stillstand.
Unser dreisäuliges Altersvorsorgesystem, um das uns das Ausland beneidet, lässt sich nur für weitere Generationen bewahren, wenn wir nicht weiter so tun, als ob wir die Kapitalmarktrenditen per Gesetz festlegen könnten und wenn wir das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung anpassen. Ist es tatsächlich unzumutbar, für jeden Monat mehr Lebenserwartung das Rentenalter um einen Monat hinauszuschieben? Schweden, Dänemark oder die Niederlande – durchaus Gesellschaften mit hohem sozialen Anspruch – haben es geschafft, das Rentenalter in kleinen Schritten zu erhöhen und an die steigende Lebenserwartung zu koppeln.
Es gibt keinen Grund, warum wir das nicht auch schaffen sollten. Nach der Reform ist vor der Reform.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 19.3. 2017