Ja, die Berichterstattung über Trump muss sein

Haben Sie allmählich genug davon? Können Sie die Medienberichte über den neuen
US-Präsidenten nicht mehr sehen? Dann wird Ihnen die SonntagsZeitung, die Sie in Händen halten, keine Freude machen. Donald Trump ist erneut das Topthema, zum zweiten Mal seit seiner Amtseinführung. Muss das wirklich sein? Auf den Redaktionen des «Tages-Anzeigers» und der SonntagsZeitung diskutieren wir seit Wochen darüber, wie wir mit dem Phänomen Trump umgehen, wie wir auf seine Tweets reagieren und wie ausführlich und wie häufig wir berichten sollen.

Nach vierzehn Tagen Trump im mächtigsten Amt der Welt ist klar: Ja, es muss sein. Das Interesse an Trump, seiner Politik und den Folgen für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ist riesig. In der abgelaufenen Woche waren Trump-Themen die mit grossem Abstand meistgelesenen Beiträge auf Tages-Anzeiger.ch. Mindestens zwei, oftmals auch drei oder vier Trump-Geschichten schafften es jeden Tag unter die Top 10 der meistgelesenen Artikel. Mit einer Ausnahme belegte Trump immer Platz 1. Einer schaffte es, ihn von der Spitze zu verdrängen: Am Montag nach seinem Turniersieg in Melbourne stiess Roger Federer auf noch mehr Interesse.

Wohl noch nie hat ein neuer Präsident für so viel Aufregung gesorgt. Nur bei Kriegen und Katastrophen konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Welt sonst derart auf ein Thema. Das Cover des üblicherweise mit britischem Understatement berichtenden «Economist» zeigt Trump als Molotow-Cocktail-Werfer: «Ein Aufständischer im Weissen Haus».

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Auf dem «Spiegel»-Titel erscheint er gar als IS-Terrorist: die Machete in der einen, den abgeschlagenen Kopf der Freiheitsstatue in der anderen Hand. Manche Leute sehen bereits den Punkt erreicht, wo Widerstand zur Bürgerpflicht wird.

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Trump hat die Medien zu seinen – und Amerikas – Feinden erklärt. Als Zeitungsmacher versuchen wir, darauf mit professioneller, journalistischer Nüchternheit zu reagieren. Mit Analysen, Reportagen, Hintergrundrecherchen, Erklärungen und persönlichen Kommentaren wollen wir das Phänomen Trump erklären, die Ereignisse einordnen und Orientierung bieten. Denn noch ist nicht klar, was in Trumps Regierung genau vor sich geht. Wie viel von dem, was wir täglich aus dem Weissen Haus vernehmen, entspringt einer klaren politischen Strategie, wie viel ist einem hastigen Change-Management oder schlicht Inkompetenz geschuldet? Die Ereignisse der letzten Tage geben immerhin Anlass zu Optimismus: Die demokratischen Institutionen in den USA funktionieren nach wie vor.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 5. Februar 2017

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