Gutes tun, nur besser

Ängste und Sorgen prägten das Jahr, Not und Finsternis herrschen an vielen Orten. Der Advent ist die Zeit der Hoffnung. Hoffnung darauf, dass da jemand kommt und hilft. Der Advent ist auch Spendenzeit: Leid lindern, Armut bekämpfen, Kranke heilen, Leben retten, die Umwelt schützen.

Wohltätigkeit ist eine Wachstumsbranche, wie man beim Leeren des Briefkastens feststellen kann. Die meisten Menschen spenden, ohne viel nachzudenken, wie Untersuchungen zeigen (zum Beispiel Niehaus, Karlan/Wood, Scharf oder Friedman). Das ist sympathisch, wenn auch nicht unbedingt hilfreich. Davon profitieren Sammelaktionen wie «Jeder Rappen zählt» und andere aufsehenerregende Marketingaktivitäten. Sie befeuern den Spenden-Kannibalismus und konkurrenzieren Hilfswerke mit weniger Marketingpower.

Aber wo soll man sonst spenden? Eine schwierige Frage. Ein Blindenhund kostet rund 65’000 Franken. Zweifellos eine gute Sache. Allerdings könnte man damit auch 2600 unter der Augenkrankheit Trachom leidende Menschen in Afrika vor dem Erblinden retten. Wer wissen will, ob sein Geld auch wirklich hilft, hats nicht leicht. Börsennotierte Unternehmen werden von Tausenden von Analysten und Journalisten beobachtet und durchleuchtet. Aber kaum jemand überprüft die Ergebnisse von Hilfswerken.

Manche Organisationen haben wenig eigene Einnahmen aus Spenden, sondern funktionieren vor allem als Durchlauferhitzer für staatliche Gelder. Schon die mangelnde Transparenz vieler Organisationen sollte Spender abschrecken, ebenso die ungenügende Evaluation der Wirkungen ihrer Projekte. «Nicht gewinnorientiert» zu arbeiten, dient manchen als Entschuldigung für Wirkungslosigkeit. Das Schweizer Gütesiegel Zewo kontrolliert zwar gewisse Standards, aber nicht die Wirkung eines Hilfswerks.

Dabei sind effektive Hilfswerke 100 bis 1000 Mal wirksamer als normale. Wo der gespendete Franken am meisten Nutzen entfaltet, prüfen Organisationen wie «Give Well» oder «The Life You Can Save» streng. Die Liste der Hilfswerke, die sie nach eingehender Prüfung empfehlen können, sind entsprechend kurz.

Wohl akzeptieren die Steuerbehörden zu viele Tätigkeiten als wohltätig und befreien sie von der Steuerpflicht. Anderseits erscheint eine Beschränkung unserer Hilfsbereitschaft auf die grösste Not und den grössten Nutzen dann doch zu eng und kurzsichtig. Vieles, was das Leben der Menschen verbessert und Not und Armut reduziert hat, entstand nicht aus Almosen. So hat das Handy und das darauf basierende Zahlsystem M-Pesa in Afrika mehr zur Bekämpfung der Armut beigetragen als unzählige Entwicklungshilfeprojekte. Wer also Forschung, Wissenschaft, Bildung und Innovation unterstützt, kann offensichtlich sehr viel Gutes tun.

Die Schwächen der Wohltätigkeitsbranche sollte unsere Hilfsbereitschaft dennoch nicht einschränken. Von Herzen geben und gleichzeitig von den Hilfswerken mehr Leistung und Transparenz einfordern, schliessen sich ja zum Glück nicht aus.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der SonntagsZeitung vom 11. Dezember 2016

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