4.4.2016 / Armin Müller
Wir haben die Affäre um den Nationalbankpräsidenten ungenügend verarbeitet. Das ist ein wiederkehrendes Muster in der Schweiz.
Mit dem Prozess gegen einen Bankmitarbeiter und einen Anwalt vor dem Bezirksgericht Zürich kommt die Affäre Hildebrand zu ihrem Abschluss. Ob die beiden wegen Bankgeheimnisverletzung verurteilt werden, bleibt bis zur Urteilsverkündung offen. Ein Fazit kann trotzdem schon gezogen werden: Die Schweiz hat die Affäre schlecht verarbeitet. Vor Gericht stehen die Falschen.
Im Interesse der Glaubwürdigkeit der Nationalbank, einer der wichtigsten Institutionen, hätte man der Sache auf den Grund gehen müssen. Stattdessen wurde intrigiert, vertuscht und Politik gemacht. Die involvierten Persönlichkeiten, die Politik, die Nationalbank, aber auch die Medien: Sie alle machten keine gute Figur.
Der damalige Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand und seine Frau tätigten 2011 Devisentransaktionen im Umfang von rund 400 000 Franken. Als die Nationalbank am 6. September die Einführung eines Euro-Mindestkurses beschloss, resultierte daraus ein Gewinn von rund 70 000 Franken. Dass solch ein Gebaren mit der Glaubwürdigkeit der Nationalbank absolut unvereinbar sein muss, ist offensichtlich.
Dass die mit dem Vorgang vertrauten Mitarbeiter bei der Bank Sarasin nichts unternahmen, wirft kein gutes Licht auf die Compliance der Bank. Dass Reto T., der jetzt vor Gericht steht, die Informationen einem befreundeten Anwalt gab statt den zuständigen Stellen der Bank, war ein Fehler, der ihm die Karriere zerstörte.
Aber ohne den Whistleblower wäre die Sache unter den Teppich gekehrt worden. Hildebrand und seine Berater versuchten aus dem Skandal eine Affäre Blocher zu machen. Wie so oft, wenn Christoph Blocher involviert ist, wich die nüchterne Analyse der Fakten dem politischen Schlagabtausch. Hildebrands Transaktionen traten in den Hintergrund. Jetzt ging es um Blocher gegen Nationalbank und «Weltwoche» gegen Mainstream-
Medien. Der flugs bestellte Prüfbericht der Revisionsgesellschaft PWC kam mit zweifelhaften Begründungen zum Schluss, dass Hildebrand das Nationalbankreglement nicht verletzt habe.
«Nichts von öffentlichem Interesse wurde in diesem Fall umfassend und gewissenhaft untersucht»
Nichts von öffentlichem Interesse wurde in diesem Fall umfassend und gewissenhaft untersucht: weder die Rolle der Hildebrand-Berater noch jene Christoph Blochers, weder das Verhalten des Bankrats noch jenes der Bank Sarasin – und schon gar nicht der Auslöser der Affäre, die Deals der Familie Hildebrand.
Nach seinem Rücktritt untersuchten Revisoren von KPMG im Auftrag des Bankrats zwar sämtliche Banktransaktionen der Mitglieder des erweiterten Direktoriums. Ausgenommen von der Prüfung waren zuerst – kein Witz – ausgerechnet die Transaktionen von Frau Hildebrand. Erst nachträglich wurden sie doch noch geprüft. Allerdings wurden dabei andere, deutlich weichere Kriterien angewandt als bei den übrigen Beteiligten. So wurden Devisengeschäfte erst ab 20 000 Franken geprüft statt ab 1000, und andere Finanztransaktionen erst ab 100 000 Franken.
Dafür sammelte die Zürcher Justiz offenbar die Telefondaten der Kontakte zwischen Blocher und Journalisten, und zwar schon bevor Blocher von Hildebrands Transaktionen erfuhr, wie der «Tages-Anzeiger» kürzlich aufdeckte.
So stellt man offenbar hierzulande verlorenes Vertrauen wieder her. Dabei wäre eine sachliche Aufarbeitung wichtig, viel wichtiger als die juristische. In den USA werden Skandale gründlich untersucht und mit einem öffentlichen Bericht abgeschlossen, damit man daraus für die Zukunft lernt. In der Schweiz gibt es das leider nicht.
Die Bürger dürfen nicht erfahren, wie es genau zum Swissair-Grounding kam, zur UBS-Rettung oder zum Steuerstreit mit den USA und wer letztlich für was verantwortlich war.